176 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
nicht fehlen werde, wo es gelte, „teutschem Sinn und teutscher Eintracht
ein großartiges Denkmal zu setzen“, und bemühte sich einen Dombau—
verein deutscher Fürsten zu bilden. Da dieser Plan an den protestan—
tischen Bedenklichkeiten der Höfe von Stuttgart und Kassel scheiterte, so
ging der Wittelsbacher allein vor und stellte der unter seiner Herrschaft
wieder aufgeblühten Kunst der Glasmalerei eine würdige Aufgabe; die
herrlichen Fenster, die er dem südlichen Seitenschiffe schenkte, konnten den
Vergleich mit der glühenden Farbenpracht der Werke des Mittelalters
beinahe aushalten. Es war ein schöner Wetteifer; die Mehrheit der Na—
tion ließ sich in ihrer politischen Hochherzigkeit nicht beirren durch die
leider sehr nahe liegende Frage: ob denn die Priester dieses Domes sich
selbst bekennen würden zu dem Geiste christlicher Liebe, der den könig-
lichen Protektor des Baues beseelte?
Nur die alten Rationalisten und die jungen Atheisten überschütteten
das Unternehmen mit Spott und Hohn. Der halbverschollene greise Bret-
schneider in Gotha zeterte wider den Kölnischen Pfaffengeist, da ja Görres
soeben in einer warmen und ausnahmsweise friedfertigen Schrift seinen
alten Weckruf erneuert hatte. David Friedrich Strauß faßte einen grim-
migen, geradezu persönlichen Haß wider den Dombau, denn nach seiner
Meinung wohnte „der Gott in keinen Tempeln mehr“. Heine aber
weissagte mit wiehernder Schadenfreude:
Er wird nicht vollendet trotz allem Geschrei
Der Raben und der Eulen,
Die altertümlich gesinnt so gern
In hohen Kirchtürmen weilen.
Er weidete sich an dem Gedanken, daß man das Gotteshaus dereinst noch
in einen Pferdestall verwandeln würde. So gänzlich hatte er an der
Seine Fühlung mit seinem verlassenen Volke verloren. Die geborenen
Franzosen dachten anders; ihrer viele gestanden mit stillem Neide: zu
einem solchen Werke, dessen das zerrissene Deutschland sich erdreiste, würde
romanischer Opfermut schwerlich ausreichen.
Noch einige Wochen verweilte der König am Rhein, schwelgend
in den historischen und künstlerischen Reizen des Landes. Überall riß
er die warmherzigen Massen hin; selbst die gegen alles preußische Wesen
noch sehr mißtrauischen Aachener fühlten sich geehrt, als er in gütiger
Ansprache ihre Treue lobte. Darauf gab er in Brühl, dem lieblichen
Rokokoschlosse der Kölnischen Kurfürsten seinen hohen Gästen nochmals ein
Fest und feierte in seinen Trinksprüchen erst die beiden Helden des Be-
freiungskrieges, die Könige von Württemberg und Niederland, alsdann,
an die alte Waffenbrüderschaft erinnernd, den Erzherzog Johann, dessen
Name „uns anwehe wie die Bergluft der Hochalpen“. In Deutschland
war der greise Erzherzog so gut wie unbekannt, von den wenig glücklichen
Kriegstaten seiner Jugendjahre sprach längst niemand mehr. In der