Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Brand von Hamburg. 179 
tausend hindurch getagt hatte. Am dritten Tage hatten sich die Bürger 
an die Gefahr gewöhnt und, obwohl auch ihre älteste Kirche, St. Petri 
noch in Trümmer fiel, doch die Hoffnung gewonnen, daß die Stadt nicht 
ganz verloren sei; mit wachsender Zuversicht und zuletzt in trefflicher 
Ordnung führten sie den Kampf zu Ende. 
Wie immer, wenn die Sterblichen vor der Macht der Elemente ihre 
Kleinheit fühlen, traten alle edlen und alle gemeinen Kräfte der mensch— 
lichen Natur zugleich zu Tage. Wenn die Pulverwagen durch die bren— 
nenden Straßen fuhren, dann setzten sich manche wackere Bürger-Artil— 
leristen freiwillig auf die Pulverfässer, um sie mit ihrem Leibe gegen die 
umherstiebenden Funken zu decken. Aber auch der berüchtigte Pöbel vom 
Hamburger Berge und Massen wüsten Gesindels vom Lande her waren 
zusammengeströmt; die Unholde umtanzten die Flammen mit viehischem 
Gejohle, hielten ihre Saufgelage in den brennenden Häusern, raubten, 
plünderten, zerstörten nach Herzenslust; und das Bürgermilitär, das sich 
überhaupt in dieser ernsten Probe weit besser hielt als sonst auf den 
Exerzierplätzen, mußte mehrmals, mit den Linientruppen vereint, den 
scheußlichen Banden Straßengefechte liefern. Selbst ruhige Männer 
wurden krankhaft aufgeregt durch den finsteren Argwohn, der bei solchem 
Unheil selten ausbleibt. Die Engländer steckten die Stadt an — so hieß 
es überall, denn die große Maschinenfabrik auf dem Grasbrook beschäf— 
tigte viele englische Arbeiter, die den einheimischen längst verhaßt waren; 
und manche Leute von englischem Aussehen, auch der junge Dichter Fried— 
rich Hebbel sahen sich von der erhitzten Menge schwer bedroht. In der 
langen Untersuchung nachher wurde jedoch kein einziger Fall von Brand- 
stiftung nachgewiesen, auch die erste Ursache des Unglücks blieb immer 
verborgen. Als die Gefahr überwunden war, da zeigte sich erst, was 
Deutschland an dem Reichtum und dem Bürgersinne seiner ersten Handels- 
stadt besaß. Schon nach wenigen Tagen erklärte man den benachbarten 
Regierungen zuversichtlich: für den Geldverlust könne die Stadt allein 
aufkommen..) Der Stolz der Kaufmannschaft, die neue Börse, war 
unter der Hut beherzter Männer unversehrt geblieben inmitten der Trüm- 
mer; die Bank hatte ihre Schätze gerettet und das Abschreiben nicht 
einen Tag lang eingestellt, auch in den Häfen war die Arbeit nicht gänz- 
lich unterbrochen worden. Salomon Heine, der reiche Oheim des Dichters 
setzte durch, daß der Disconto nicht über vier vom Hundert steigen durfte; 
zwanzig Firmen bildeten alsbald eine Darlehnsgesellschaft mit 12 Mil- 
lionen Mark Banco Capital, und im August schon konnte die Stadt eine 
große Anleihe zu 3 Prozent aufnehmen. Nun wurden die weiten Trümmer- 
felder abgeräumt, wobei man noch zehn Wochen nach dem großen Brande 
in manchen Kellern fortschwelendes Feuer fand, die zerstörten Straßen 
  
*) Thiles Bericht an den König, 16. Mai 1842. 
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