190 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
erziehen, sie emporzuheben aus ihrer geistlosen Verdumpfung. In die
Zeiten seiner Thronbesteigung fiel das Jubelfest der Erfindung der Buch—
druckerkunst. Der Tag wurde im Mittelpunkte des deutschen Buchhandels,
in Leipzig glänzend gefeiert; begeisterte Redner sprachen die Hoffnung
aus, daß die größte aller deutschen Erfindungen fortan unter dem Segen
der Freiheit erst ihre volle Wirksamkeit entfalten würde; selbst der Fest—
redner der Aula, der konservative Gottfried Hermann pries in elegantem
Latein die Macht des freien Wortes. Für Preußen hatte die ängstliche
alte Regierung alle öffentlichen Feierlichkeiten untersagt; der neue Herr
begnügte sich, im August noch eine Nachfeier zu erlauben. Um den
Wiener Hof nicht zu verletzen, ließ er es auch geschehen, daß der Bundes-
tag im Juli 1841, nach einer Verabredung zwischen den beiden Groß-
mächten?), die Gültigkeit der alten Bundesgesetze über die Presse und die
Universitäten abermals um sechs Jahre verlängerte. Trotzdem hielt er
seine Befreiungspläne fest; denn da er sein eigenes Herz eben so wenig
kannte wie die Herzen anderer, so traute er sich's zu, den Lärm der
Zeitungen gleichmütig zu ertragen. Er dachte vorerst der preußischen
Presse innerhalb der Schranken des Bundesrechts eine freiere Bewegung
zu gestatten und späterhin vielleicht den Bund selbst zur Abänderung
seiner harten Gesetze zu bewegen. Darum wurde zunächst der unentbehr-
liche Ratgeber für die Bundespolitik, Radowitz, zu einem Gutachten auf-
gefordert; der ergriff den Gedanken mit Begeisterung und sprach die Hoff-
nung aus: also würde sein königlicher Herr in dem Geiste der Nation
selbst „den mächtigsten Verbündeten gegen die Apathie und den egoistischen
Widerwillen der Kabinette“ finden.
Darauf begannen, seit dem Herbst 1841, im Staatsministerium sehr
langwierige Verhandlungen über ein neues Preßgesetz. Der Gedanke,
die Presse einfach dem gemeinen Rechte zu unterwerfen, lag allen deutschen
Regierungen noch ganz fern. Jedermann in diesen Kreisen glaubte noch
an den alten Gentzischen Grundsatz, daß die gefährliche Macht der Zeitungen
unter besondere Behörden gestellt werden müsse. Die freiesten Köpfe ver-
langten nur eine milde Zensur und zum Schutze gegen die Mißgriffe
dieser „Preßpolizei“ eine eigene „Preßjustiz“. Präsident Gerlach, der
ebenfalls befragt wurde, erklärte mit dem Stolze des preußischen Richters:
wolle man „die aufregende Maßregel“ einmal wagen, dann müsse das
neue Preßgericht auch die ganze Selbständigkeit eines Tribunals er-
halten.*) Über alles Weitere war man nicht einig, und man empfand
bei diesen verworrenen Beratungen zum ersten Male, daß der neue
Justizminister Savigny praktischen Aufgaben nicht gewachsen war. Der
König wollte den Professoren die Zensurfreiheit, die ihnen vor alters
*) Sydows Bericht, 12. Juni 1841.
*“) Gerlachs Votum, 31. Dez. 1841.