Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Milderung der Zensur. 191 
zugestanden, wiedergeben, er wollte die gleiche Freiheit auch anderen 
Standespersonen gewähren und diesen Begünstigten sogar erlauben, die 
Zensur über die Schriften anderer auszuüben. Da hielt ihm Thile ent— 
gegen: gerade unter den Gelehrten befänden sich so viele unchristliche 
Radikale.) Er dachte ferner zu verbieten, daß die Zeitungen ihn selber 
lobten, während sie die Regierung tadelten „und so die Person des Königs 
in einem Gegensatze mit dem Geiste seiner Administration erscheinen 
ließen“". Graf Arnim aber erwiderte ritterlich: die Minister dürften sich 
nicht hinter dem Monarchen verstecken. *) So zogen sich die Verhand- 
lungen durch viele Monate fruchtlos hin. 
Um doch etwas zu tun, gab der König den Provinzialbehörden durch 
ein Ministerialschreiben v. 24. Dez. 1841 zu wissen, daß er das Bedürf- 
nis einer freimütigen, anständigen Publizistik anerkenne, und forderte sie 
auf, die bestehenden Zensurgesetze milde zu handhaben; zugleich ward 
die Presse väterlich ermahnt, sich aller frivolen Feindseligkeiten und Ver- 
dächtigungen zu enthalten, auch nicht durch gehaltlose Tagesneuigkeiten 
und Klatschereien auf die Neugier ihrer Leser zu wirken. Trotz seines 
wunderlichen patriarchalischen Tones erregte dieser Erlaß allgemeine 
Freude; die geknebelten Schriftsteller atmeten auf und glaubten endlich den 
Tag der Freiheit zu sehen. Im Mai 1842 wurden sodann alle Bilder von 
der Zensur befreit; denn Friedrich Wilhelm lachte gern über geistreiche 
Karikaturen, und da die Bundesgesetze von einer Bilderzensur nicht sprachen, 
so wollte er den Zeichnern ihren harmlosen Scherz nicht verkümmern. 
Ein halbes Jahr später, am 4. Oktober, gab der König alle Bücher von 
mehr als zwanzig Druckbogen frei — was nach Bundesrecht erlaubt war. 
Gleich darauf befahl er den Behörden, unwahre Mitteilungen des schlechten 
Teils der Tagespresse augenblicklich in diesen Zeitungen selbst zu berichtigen: 
„Eben da, wo das Gift der Verführung eingeschenkt worden ist, muß es auch 
unschädlich gemacht werden . indem man die Redaktionen zwingt, das 
Urteil über sich selbst zu veröffentlichen.“ So fielen Stein auf Stein 
die alten Schranken, und alle Welt erwartete hoffnungsvoll das von der 
Regierung oft verheißene umfassende Preßgesetz. 
Mittlerweile begann die Milderung der Zensur schon ihre Früchte 
zu tragen. Es schien, als sollte mit dem Jahre 1842 eine Zeit der Blüte 
für die preußische Presse beginnen; und ein solcher Umschwung war 
dringend nötig, denn überall in Deutschland lastete auf den Schriftstellern 
der gleiche unerträgliche Druck, nur die Leipziger Zensur übte zuweilen ein 
klein wenig Schonung, um den großen Buchhandel nicht ganz zu verderben. 
Was verschlug es, daß einige Bundesstaaten nur die Schriften unter 
zwanzig Bogen, andere, wie Hannover, die Karlsbader Beschlüsse noch 
*“) Thiles Bericht an den König, 15. Nov. 1841. 
**“) Thiles Berichte an das Staatsministerium, 25. Aug., an den König, 7. Sept.. 
an das k. Kabinett, 12. Sept. 1842. 
 
	        
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