Die süddeutschen Zeitungen. 193
stigen Lebens, er erweiterte die Beilage zu einer Rundschau über die ge—
samte europäische Literatur und förderte manches junge Talent durch
wohlwollende, einsichtige Kritik; von den landschaftlichen Vorurteilen seiner
Schwaben befreite er sich aber niemals, und sein Preußenhaß gab in der
Redaktion fast immer den Ausschlag, weil sie ihr größtes Absatzgebiet,
OÖsterreich nicht verlieren durfte. Die Zeitung wurde keineswegs, wie
man im Norden oft argwöhnte, von Wien her bestochen — mit solchen
Mitteln war dem reichen Hause Cotta nicht beizukommen —: sie brachte
vielmehr selbst große Opfer, um die Hofburg bei guter Laune zu halten,
zahlte glänzende Honorare an die Federn der k. k. Preßleitung, 4000 Gulden
jährlich allein an den alternden Pilat, der nur noch selten schrieb, und
nahm gehorsam alles auf, was ihr aus diesen Kreisen zukam. Metternich
ward aber von Tag zu Tag mißtrauischer gegen Preußen, zumal der
Zollvereins-Demagog Eichhorn blieb ihm unheimlich, und da er selbst
die Maske der Freundschaft nicht abnehmen durfte, so ließ er durch seine
Leute einen boshaften Federkrieg führen, der viel dazu beitrug, das An-
sehen des neuen Königs in Süddeutschland zu untergraben. Die giftigen
Artikel der Allgemeinen Zeitung „vom Main“ flossen meist aus den
Federn der beiden Wiener Hofpublizisten Zedlitz und Jarcke; der Bundes-
gesandte Graf Dönhoff wußte dies wohl und meinte traurig: so wird es
schwer sein, „an ein wahres, aufrichtiges Zusammenwirken von Wien und
Berlin glauben zu machen.“*) Als die preußische Presse sich zu heben be-
gann, ließ Cotta der Hofburg melden, „daß die Allgemeine Zeitung, um
bestehen zu können, sich nun ebenfalls auf ein liberales Feld werde stellen
müssen.“ Metternich antwortete mit der verständlichen Drohung: wir
werden uns danach richten.“) Seitdem schillerte die Zeitung noch mehr
denn sonst in verschiedenen Farben, nur niemals in schwarz-weißen, und
mit vollem Rechte betrachtete die preußische Regierung das mächtigste Blatt
des Südens als ihren gefährlichsten Feind.
In Württemberg erlaubten die Zensoren dem wackeren Schwäbischen
Merkur, fast nur über wirtschaftliche Landesangelegenheiten frei zu reden.
Auch Karl Weil, ein gewandter liberaler Publizist, der in Stuttgart erst den
Deutschen Kurier, dann die Konstitutionellen Jahrbücher herausgab und sich
vornehmlich der bedrückten Hannoveraner mit Eifer annahm, erlangte kein
rechtes Ansehen, weil seine Beziehungen zum Hofe Ludwig Philipps mit
gutem Grunde beargwöhnt wurden. Baden endlich, das gelobte Land der
liberalen Musterverfassung, ward jetzt auch das Land der Muster-Zensur,
wie K. Mathy im Landtage treffend sagte. Die badischen Zensoren wurden
geradezu angewiesen, mißliebigen Blättern durch das Streichen der neuesten
Nachrichten die Kundschaft zu entziehen; unter ihnen tat sich der Mannheimer
*) Dönhoffs Bericht, 22. Juni 1842.
**) So erzählt Metternich selbst in seiner Weisung an Trauttmansdorff, 14. Febr.
1843.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 13