Die Leipziger Journalisten. 197
wurde, so erhob doch die gesamte Presse ein herzbrechendes Geschrei,
als wäre noch niemals ein germanischer Nachtwächter geprügelt worden;
gesinnungstüchtige Liberale fragten feierlich: hat denn nicht der König
selbst befohlen, daß „nur Männer von wissenschaftlicher Bildung und er—
probter Rechtschaffenheit“ zu Zensoren ernannt werden dürfen?
Die Zahl der deutschen Journalisten vermehrte sich in diesen Jahren
beträchtlich. Viele aus dem Staatsdienste verdrängte liberale junge Männer
flüchteten zu den Zeitungen, so der abgesetzte rheinländische Beamte Karl
Heinzen und der entlassene preußische Leutnant Wilhelm Rüstow; dazu
die wachsende Schar der gebildeten Juden, die von der Beamtenlauf—
bahn ausgeschlossen, in der Journalistik das einzige Mittel sahen, auf den
Staat einzuwirken, und sehr bald bemerkten, wie glücklich sich ihre na—
türliche Begabung für die leichte Tagesschriftstellerei eignete. Fast alle
die österreichischen Literaten in Leipzig waren Juden. Als der Jude A.
Ochse-Stern der Kölnischen Zeitung ihre tadelnden Bemerkungen über
seine „wehrlosen“ Stammverwandten verwies, da erwiderte der Verleger
Dumont trocken: diese Wehrlosen sind Besitzer vieler rheinischen Zeitungen!
Metternich aber schrieb sorgenvoll an die Gesandtschaft in Berlin: „Sieb-
zehn deutsche Blätter werden heute — und unter den deutschen Produkten
nicht die wenigst pikanten — von Judenjungen redigiert!“
Begreiflich, daß durch solche Elemente der Radikalismus und der
Kirchenhaß der Presse oft gefördert wurden. Auch besonnene Journalisten
gewöhnten sich in dem ewigen Kampfe gegen die Behörden an eine versteckte
und daher um so boshaftere Gehässigkeit; sie wußten in kunstvollen Sätzen
ihren Groll halb zu zeigen, halb zu verbergen, und mancher, der damals das
Handwerk erlernte, konnte auch nachher in den Tagen der Preßfreiheit den
anwinkenden Zensurstil nicht mehr ablegen. Indes war diese Generation
deutscher Tagesschriftsteller noch ziemlich reich an wackeren Männern. Das
Geschäft warf noch wenig ab, da die Deutschen in der Kunst der Anzeigen
und Reklamen weit hinter den Völkern des Westens zurückgeblieben waren,
und die Börse jetzt erst, seit der Wucher mit den neuen Eisenbahnaktien
aufblühte, ihre Polypenarme nach den Zeitungen auszustrecken begann.
Ein großer Teil der Tagesschriftsteller kämpfte ehrlich, ja enthusiastisch um
der Sache willen, und nicht wenige unter ihnen betrieben ihre Arbeit mit
jener frohmutigen, jugendlichen Pflichttreue, welche späterhin in Freytags
Journalisten ihr Denkmal erhielt. Daneben gab es freilich auch einen
eigentümlichen Menschenschlag von journalistischen Philistern, die sich
demütig in die Willkür der Zensur ergeben hatten. Er blühte vornehmlich
in Frankfurt, wo alle Bundesregierungen zugleich für die Knebelung der
Presse sorgten. Dort erschien ein französisches Journal de Franckort für die
diplomatische Welt; sodann die Oberpostamts-Zeitung des Hauses Thurn
und Taxis, unter dem guten alten Hofrat Berly, der stets mit der Miene
des Tiefeingeweihten einherging und unterweilen von der k. k. Gesandt-