Rheinische Gemeindeordnung. 263
den ständischen Beratungen veröffentlichen solle.“) Die Kommission wagte
jedoch keine Neuerung, weil man den Landtagen offenbare Ungesetzlichkeit
nicht nachweisen konnte. So erschienen denn zum Jahresschlusse die acht
Landtagsabschiede in der hergebrachten Form: die Anträge der Landtage
waren alle einzeln beantwortet und, soweit sie allgemeine Landesangelegen—
heiten betrafen, fast sämtlich abgelehnt, in einem schnöden, väterlich ver—
weisenden Tone, der freie Männer beleidigen mußte. Immer wieder hieß
es: Übereilte Beratungen sind nicht geeignet, einen Einfluß auf Unsere
wohlerwogenen Absichten auszuüben; Wir werden Uns in der Ausführung
Unserer wohlerwogenen Entschlüsse nicht hemmen lassen; Wir werden die
Richtung, die Wir nach reiflicher Prüfung als gedeihlich erkannt haben,
einhalten. Zählte man zusammen, so hatte die Krone an hundert An—
träge ihrer getreuen Stände rundweg zurückgewiesen; und welche Re—
gierung auf der Welt war stark genug, um aller zwei Jahre hundertmal
feierlich nein zu sagen?
Das einzige bleibende Ergebnis dieser unfruchtbaren Tagung war
die Rheinische Gemeindeordnung, die nach so vielen vergeblichen Versuchen**)
jetzt in neuer Fassung dem Provinziallandtage vorgelegt und dann am
23. Juli 1845 veröffentlicht wurde. Mit ihr errangen der rheinische
Sondergeist und der napoleonische Verwaltungsdespotismus, der hierzu—
lande Freiheit hieß, einen vollständigen Sieg über die deutschrechtlichen
Grundsätze der Krone. In Westfalen waren doch mindestens die Städte
des Segens altländischer Selbstverwaltung teilhaftig geworden; am Rhein
blieb jeder rechtliche Unterschied zwischen Stadt und Land beseitigt. In
den Städten und in den ländlichen Bürgermeistereien schaltete, fast so un-
umschränkt wie einst der Maire, der von der Regierung ernannte Bürger-
meister; der aus den Meistbeerbten gebildete Gemeinderat besaß wenig
mehr als die kümmerlichen Befugnisse eines französischen Conseils, da die
Regierung jeden seiner Beschlüsse als ungesetzlich oder schädlich aufheben
konnte. Das rheinische Gemeindewesen war weit unfreier als die altlän-
dischen Städteordnungen, unfreier sogar als die altväterische gutsherrliche
Selbstverwaltung. Doch dies bureaukratische Regiment entsprach der Be-
quemlichkeit des Beamtentums und den Interessen der großen Gewerbtrei-
benden, deren Fabriken teils auf dem Lande, teils in den Städten lagen;
es entsprach den Gewohnheiten der Provinz und vornehmlich ihrem sozialen
Gleichheitsdrange, der in der Trennung von Stadt und Land nur einen
feudalen Mißbrauch sehen wollte. Jeder Unterschied von Grundherren,
Städtern und Bauern sollte verschwinden in dem kahlen Begriffe des
Staatsbürgertums. „Ich will es Euch nennen: Bürger heißt das
*) Graf Arnim an die Immediatkommssion, 18. Sept. 1843, nebst drei Denk-
schriften: über das Petitionsrecht, über die Veröffentlichung der Landtagsverhandlungen
über das Verfahren der Verwaltung gegenüber den Landtagen.
**) S. o. IV. 554.