Prinz von Preußen. Entlassung Alvenslebens und Mühlers. 265
denn die neufranzösischen Schmähreden wider das Söldnerwesen drangen
allmählich auch in Preußen ein; da alle Welt auf die Regierung schalt,
so hielt man die schweigende Treue der Offiziere für servil, und mannig—
fache häßliche Zänkereien bekundeten schon eine Feindschaft zwischen Heer
und Bürgertum, die in vielen Rheinbundsstaaten wohl gute Gründe
haben mochte, in dem Lande der allgemeinen Wehrpflicht aber schlechthin
sinnlos war. Genug, die bösen Zungen ließen von dem Thronfolger
nicht mehr ab: er sollte des Königs böser Dämon in der Politik sein, wie
Eichhorn in den kirchlichen Dingen. Das schändliche Gerede fand schließ-
lich fast überall Glauben; in solchen Zeiten, da die politische Leidenschaft
schon erwacht ist, aber ein öffentliches Leben noch nicht besteht, wuchern
ja die Legenden der Parteien immer am üppigsten auf. In Wahrheit
besaß der Prinz, trotz seiner hohen Staatswürden, zur Zeit gar keinen
politischen Einfluß; auch die zur Schau getragene Christlichkeit der neuen
Gottseligen widerstand seinem einfachen Gradsinn.
Zum großen Leidwesen des Königs verlangte im Frühjahr 1844
Graf Alvensleben seine Entlassung aus dem Amte des Kabinettsministers,
das er nur ein Jahr lang bekleidet hatte. Sein derber Geschäftsverstand
konnte die Unruhe der pläneschmiedenden Planlosigkeit nicht mehr ertragen;
und nicht bloß die von Humboldt verhöhnten Montmorencys des Havel-
landes beklagten seinen Rücktritt, sondern auch Kühne und alle die er-
fahrenen Beamten, die jetzt den strengen Ordnungssinn des alten Königs
überall schmerzlich vermißten. *) An Alvenslebens Stelle trat Bodel-
schwingh, der sich kaum erst im Finanzministerium eingerichtet hatte. Es
war ein ewiges Kommen und Gehen. Für die Finanzen schlug Bodel-
schwingh seinen treuen Gehilfen Kühne vor, unzweifelhaft den tüchtigsten
unter den Fachmännern. Der König aber scheute die scharfe Zunge des
freigeistigen alten Junggesellen und berief zum allgemeinen Erstaunen
Flottwell — wieder einen bedeutenden Mann auf eine falsche Stelle.
Flottwell hatte, seit er aus Posen verdrängt worden, in Magdeburg
abermals sein glänzendes Verwaltungstalent bewährt; jedoch vom Finanz-
wesen verstand er wenig, seine feurige, ungestüme Natur paßte nicht für
diese Geschäfte, und die reichsständischen Pläne des Monarchen konnten
an dem Schüler Schöns auch keine Stütze finden. Der Prinz von
Preußen sagte betrübt: „Alvenslebens Ausscheiden ist mehr wie eine
Kalamität, ebenso Bodelschwinghs Verlassen der Finanzen. Beide Stellen
sind be-, aber nicht er setzt.““)
Gleich darauf mußte noch einer der Minister des alten Königs,
Mühler zurücktreten. Er konnte sich mit seinem nächsten Amtsgenossen
Savigny nicht verständigen, er hatte gegen das Ehegesetz gestimmt, auch in
*) Nach Kühnes Aufzeichnungen.
**) Prinz von Preußen an Thile, 25. April 1844.