Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

298 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
er wollte, wie er seinem Kultusminister von vornherein erklärte, um 
beiden Kirchen Selbständigkeit zu gewähren, einerseits ein evangelisches 
Oberkonsistorium bilden, andererseits die katholischen Bischöfe zu regel— 
mäßigen Konferenzen in Berlin versammeln; daneben sollten die kleinen 
laufenden Geschäfte der Kirchenpolitik durch die neue katholische Ministerial- 
abteilung besorgt werden. Jenes Oberkonsistorium kam aber, dank den 
Parteikämpfen der evangelischen Kirche, in den nächsten Jahren noch nicht 
zu stande; mithin konnte auch die Bischofskonferenz noch nicht berufen 
werden, das hätte die Protestanten zu tief beleidigt. So ergab sich denn 
fast von selbst, daß die anfangs der Bischofskonferenz zugedachten Be- 
fugnisse tatsächlich auf die katholische Abteilung übergingen. Die Bischöfe 
behandelten diese Abteilung als eine kirchliche Behörde, sie traten mit 
den katholischen Geheimen Räten in vertraulichen Verkehr, sendeten 
ihnen Gutachten, Ratschläge, Weisungen, suchten die Pläne der Kirche 
unmittelbar im Ministerium selbst durchzusetzen. Dies geheime Treiben 
begann sofort, mit großer Dreistigkeit; denn schon während der ersten 
römischen Verhandlungen hatte Friedrich Wilhelm durch Graf Brühl die 
unglaubliche Zusicherung erteilen lassen: er würde, wenn das Verhältnis 
zur Kurie sich freundlich gestaltete, in die katholische Abteilung nur solche 
Männer berufen, die sich des Vertrauens des Papstes erfreuten.) Die 
Behörde also, welche die Hoheitsrechte der Krone Preußen gegenüber der 
Kirche zu wahren hatte, sollte aus Vertrauensmännern der römischen Kurie 
bestehen! Harmloser hatte noch nie ein Staat seine Souveränität dem 
römischen Stuhle preisgegeben. 
Den Vorsitz erhielt Unterstaatssekretär v. Düesberg, ein Jugendfreund 
und Waffengefährte des frommen Diepenbrock, also gut katholisch, aber 
nicht klerikal gesinnt; er behielt sein Amt jedoch nur kurze Zeit. Der 
alte Schmedding, der sich bei hochkirchlicher Gesinnung doch auch manche 
gute Traditionen des altpreußischen Beamtentums bewahrte, besaß keinen 
Einfluß. Die Seele der neuen Behörde war jener Westfale Aulicke, der 
schon die Verhandlungen wegen Dunins Rückkehr geführt hatte ?), ein 
erklärter Ultramontaner. Der fühlte sich stolz als der berufene Ver- 
treter der römischen Kirche und sagte klagenden Geistlichen oft geradezu: 
der Herr Bischof erlaubt das nicht. Das katholische Schulwesen leitete 
Cornelius' Schwager, Geh. Rat Th. Brüggemann aus Westfalen, ein 
ausgezeichneter Schulmann und treuer Patriot, beredt, geschäftsgewandt, 
hochgebildet. Er hatte sich einst zu den Hermesianern gehalten und von 
den rheinischen Ultramontanen manche Anfeindungen erfahren. Mit den 
Jahren wendete er sich gleich seinem großen Schwager streng römischen 
Anschauungen zu; es genügte ihm bald nicht mehr, daß die katholischen 
  
*) Brühls Bericht, Rom 1. Sept. 1840. 
*“) S. o. V. 38.
	        
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