Die katholische Abteilung. 299
Schulen, die doch gerade in Preußen meist Schöpfungen des Staates waren,
fast überall unter geistlichen Inspektoren standen, er verlangte für die Kirche
sogar ein förmliches Recht der Schulaufsicht, das dem Landrechte wider-
sprach. Mit der mächtigen Hilfe des Hofes wagte auch der katholische
Adel Posens und der westlichen Provinzen einen Fuß in den Bügel zu
setzen, und nicht lange, so saß er fest im Sattel des Ministeriums; im
Palaste Radziwill wurden die meisten Maßregeln der katholischen Ab—
teilung vorbereitet.
Also bildete sich bald ein krankhafter, unwahrer Zustand, der früher
oder später neue Kämpfe hervorrufen mußte: die grundsätzlich unduld—
same Macht der alleinseligmachenden Kirche besaß eine eigene Vertretung
mitten im Schoße dieser paritätischen Staatsregierung, die ohne kirchlichen
Frieden nicht zu leben vermochte. Einen Nuntius freilich wollte der König
keinenfalls in seiner Hauptstadt zulassen, obgleich man im Vatikan diesen
Wunsch oft sehr lebhaft aussprach.“) Durfte ein evangelischer Monarch
einem römischen Priester den Vortritt im diplomatischen Korps einräumen,
den der Papst für seine Nuntien überall verlangte? durfte er dulden, daß
sich die Unzufriedenen aus allen katholischen Provinzen um den Sendboten
Roms scharten? Solche Fragen drängten sich selbst dem arglosen Fried—
rich Wilhelm auf. Den Ausschlag gab, daß er den Plan seiner Bischofs-
konferenzen noch immer festhielt; traten diese erst regelmäßig zusammen,
so wurde der Nuntius überflüssig. Darum blieb der König diesmal un-
erschütterlich; und als die Zeitungen der beunruhigten Protestanten gleich-
wohl beständig von dem kommenden Nuntius redeten, da befahl er hoch-
erzürnt, diese abscheulichen Gerüchte Schlag für Schlag zu widerlegen“.)
Bei solcher Luft schoß der Weizen der ultramontanen Partei rasch
in Halme. Die letzten Hermesianer wendeten sich noch einmal nach Rom;
da Gregors Nachfolger Pius IX. jedoch das Verdammungsurteil seines
Vorgängers bestätigte, so mußten sie fortan ihre Lehrtätigkeit einstellen.
Der Staat konnte sie nur im Besitze ihres Amtes und Einkommens schützen,
weil die dogmatische Streitfrage ihn nicht berührte; und so standen denn
die beiden einzigen, die sich nicht unterwarfen, die Professoren Braun
und Achterfeldt viele Jahre hindurch in jedem Bonner Lektionskataloge ver-
zeichnet mit dem wehmütigen Zusatze: lectiones nullas habere pergent.
Geissel aber begnügte sich nicht mit dem Rechte des Einspruchs, das den
Bischöfen bei der Ernennung theologischer Professoren gesetzlich zustand;
er behauptete schon bei seinem ersten Berliner Besuche, der Bischof sei
befugt, den Professoren eine missio canonica zu erteilen, das will sagen:
er wollte diese Staatsbeamten selbst ernennen und dem Staate lediglich
erlauben, die Besoldungen zu zahlen. Die missio canonica war, wie
*) Brühls Berichte, 3. Sept. 1840 ff.
*') Entscheidung des Königs auf Thiles Bericht vom 8. März 1847.