Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Triumph der Ultramontanen. 303 
köpfe, der konvertierte Franziskaner Gaßer, bereiste die süddeutschen Höfe 
und verkündete überall prahlerisch, am Berliner Hofe könne die römische 
Kirche alles durchsetzen. Die Klerikalen haben aber mit den radikalen 
Demokraten die Unersättlichkeit gemein, weil beide Parteien ein starres, dem 
ewigen Werden der Geschichte widersprechendes und darum unmögliches 
Prinzip vertreten. Noch immer nicht befriedigt forderten die Ultramontanen 
alsbald neue Rechte: zunächst die vor Jahren verheißene Ausstattung der 
Kirche mit liegenden Gründen. Auf dem rheinischen Landtage von 1843 
mahnten mehrere Redner stürmisch an das Versprechen Hardenbergs, das 
auch Bunsen in den letzten Tagen seiner römischen Wirksamkeit leichtfertig 
wieder in Erinnerung gebracht hatte; zum Glück war die alte Zusage jetzt 
unerfüllbar, da die Krone ohne Zustimmung der Reichsstände das Doma- 
nium nicht mehr schmälern durfte. Sodann verlangte man, daß an den 
beiden paritätischen Universitäten die Hälfte der Professoren, sogar der 
Mediziner stets aus Katholiken bestehen müsse — eine rein willkürliche und 
bei der geringen Anzahl der vorhandenen katholischen Gelehrten völlig un- 
ausführbare Forderung. Im letzten Hintergrunde stand endlich der Wunsch 
nach einer freien katholischen — das will sagen: ganz von der Kirche be- 
herrschten — Universität belgischen Stiles; um die eigentliche Absicht zu 
bemänteln, klagten die Ultramontanen beweglich, daß Bayern zwei katho- 
lische Universitäten besitze, das große Preußen keine einzige. Die Be- 
schwerde entbehrte jedes Grundes, da die beiden paritätischen Universitäten 
für die Bedürfnisse der katholischen Theologie vollkommen ausreichten. 
Aber bei einiger Klugheit konnte die Krone diesen immerhin wirksamen 
Anklagen leicht einen Riegel vorschieben, wenn sie die Münstersche Aka- 
demie, die von dem Fluche aller Halbheit doch nicht loskam, zu einer 
katholischen Staatsuniversität ausgestaltete und neben der katholisch-theo- 
logischen Fakultät dort noch drei weltliche, allen Bekenntnissen zugängliche 
Fakultäten einrichtete. Diese Waffe, die sich ganz von selbst darbot, wurde 
leider nicht gebraucht; offenbar fürchtete der König, daß die westfälischen 
Protestanten, die ja fast die Hälfte der Provinz ausmachten, sich dann 
ihrerseits beschweren würden. 
Wie mächtig das Selbstgefühl der Ultramontanen gewachsen war, 
das verkündete Görres 1842 in seiner Schrift: Kirche und Staat nach 
Ablauf der Kölner Irrung. Das Büchlein klang wie das Jubelgeheul 
eines die feindlichen Skalpe schwingenden Indianers. Der heißblütige 
Alte, dessen Leidenschaft mit den Jahren nur gewachsen war, redete jetzt 
geradezu von „dem rheinischen und westfälischen Adel katholischer Zunge!“ 
Kein Band der Volksgemeinschaft sollte zwischen den beiden Bekenntnissen 
mehr bestehen. Zum Abschluß seiner zahllosen politischen Wandelungen 
verherrlichte der Herausgeber des Rheinischen Merkurs nunmehrdie rhein- 
bündische Trias; er pries sein Bayern als den natürlichen Führer der kleinen 
Staaten, als die ausgleichende Macht zwischen den beiden Großmächten
	        
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