Osterreich und die bayrischen Klerikalen. 309
seines altprotestantischen Geschlechts abgefallen, der besonderen Gunst des
Metternichschen Hauses genoß. Er unterhielt Verbindungen mit den Kleri—
kalen aller Länder und pflegte sich mit seinem Freunde Abel meist schon bei
der stillen Morgenandacht in der Theatinerkirche zu besprechen. Auch Met—
ternich selbst begann nunmehr, gleich den beiden bayrischen Schwestern in
Wien, einen lebhaften Briefwechsel mit dem Münchener Hofe; die Eifersucht
auf den Zollverein und das aufstrebende Preußen ließ ihm keine Ruhe, nur
durch die römische Kirche glaubte er den nordischen Nebenbuhler noch bändigen
zu können. Im Herbst 1841 verweilte er mehrere Tage in München, wo er
mit dem König und dem Nuntius viel verkehrte, durch den getreuen Jarcke
sich die Häuptlinge der Kongregation vorstellen ließ und darauf nach Biebrich
und Stuttgart kirchenpolitische Weisungen aussendete. ) Erstaunlich, wie
tief der Alternde sich jetzt in kirchliche Anschauungen einlebte, die seiner
lustigen Jugend so fremd gewesen; er trug kein Bedenken mehr, die rein
römische Ansicht auszusprechen: ein Staat mit überwiegend katholischer
Bevölkerung stehe in der Kirche, weil diese ja die allgemeine sei! Unter
den klerikalen Schriftstellern gefiel ihm namentlich der roheste, Hurter.
Der war, nachdem er noch jahrelang für Rom gearbeitet und sogar ein
geheimes Breve des Papstes persönlich dem Erzbischof von Freiburg über-
bracht hatte, endlich durch eine ehrliche Anfrage seiner Schaffhäuser Amts-
brüder gezwungen worden, sein so schamlos entweihtes evangelisches Kirchen-
amt niederzulegen, und darauf — wieder erst nach mehreren Jahren —
förmlich zum Katholizismus übergetreten. Abel fand an ihm jederzeit einen
tätigen Helfer. Metternich aber sagte, als er Hurters Geschichtswerk
gelesen, hoch entzückt: „der Verfasser ist mein Mann“ und berief ihn (1845)
als k. k. Reichshistoriographen nach Wien, wo er zunächst die Geschichte
Ferdinands II. schreiben sollte. Deutlicher ließ sich nicht aussprechen, daß
die Hofburg mit den josephinischen Grundsätzen gänzlich gebrochen hatte.
Einer solchen Partei gegenüber hatte Graf Dönhoff einen schweren
Stand. Es konnte nicht ausbleiben, daß die bayrischen Protestanten, die
den alten König so oft als den Beschützer des evangelischen Glaubens
gefeiert hatten?*), sich jetzt in ihrer Bedrängnis oft an den preußischen
Gesandten wendeten, und obgleich Dönhoff sich nach seiner Amtspflicht, so-
weit es die Ehrlichkeit erlaubte, zurückzuhalten suchte, so wurde er doch
von den Ultramontanen bald als das Haupt der protestantischen Opposition
verlästert. Das Lamm trübte dem unschuldigen Wolfe das Wasser: während
Abel den neuen Kölner Erzbischof geradezu zum Kampfe wider die Kirchen-
politik der evangelischen Höfe aufforderte, beschuldigte er die Berliner Pie-
tisten, die mit ihren heimischen Parteikämpfen wahrlich genug zu tun hatten:
sie beanspruchten für die Krone Preußen die Schirmherrschaft über die bay-
*) Dönhoffs Bericht, 9. Okt. 1841.
**) S. o. IV. 567.