310 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
rischen Protestanten. Unter den Berliner Pietisten war zunächst Eichhorn
gemeint, dem alle Anhänger Osterreichs das Ärgste zutrauten. Leider
blieb König Ludwig solchen Einflüsterungen nicht unzugänglich. Weil er
selbst die Rolle des katholischen Kurfürsten Max spielen wollte, witterte
er jetzt überall politische Umtriebe des Protestantismus; sogar die englischen
Phantasien seines preußischen Schwagers erschienen ihm wie eine Be—
drohung der römischen Kirche*), und um dem Bistum Jerusalem ein
Gegengewicht zu bieten, sendete er in das gelobte Land einige bayrische Ge—
lehrte, die sich dort mit geringem Erfolge bemühten, katholische Klöster und
Hospitäler zu errichten. Als Dönhoff nachher an den Bundestag ver—
setzt und sein Nachfolger Graf Bernstorff bei dem bayrischen Monarchen
eingeführt wurde, da beklagte sich Ludwig bitter über die parteiische Haltung
des bisherigen Gesandten. Bernstorff erwiderte mündlich und schriftlich:
er würde sich niemals in das Treiben der bayrischen Parteien mischen,
aber auch nicht seine Glaubensgenossen von sich stoßen, nicht die politischen
und religiösen Sympathien seiner Regierung verleugnen, nicht darauf ver—
zichten, leidenschaftliche Angriffe gegen evangelische Regierungen zurückzu—
weisen. König Friedrich Wilhelm bemerkte dazu: „er hat wie ein Ehren—
mann und rechter preußischer Gesandter gesprochen und geschrieben, und
es soll ihm meine volle Zufriedenheit zu erkennen gegeben werden.“ Auch
König Ludwig mußte die Offenheit des Preußen anerkennen.**) Trotz—
dem und trotz der persönlichen Freundschaft der königlichen Schwäger blieb
das Verhältnis der beiden Höfe getrübt. Es war der Fluch der ultramon-
tanen Parteiherrschaft, daß sie nicht bloß Bayerns innere Entwicklung störte,
sondern auch seine natürlichen Bundesgenossen abschreckte.
Zum ersten Male wurde König Ludwig mißtrauisch gegen seine kleri-
kalen Anhänger, als sein Hofprediger Eberhard (1841) in der Michaels-
kirche eine Reihe von Predigten hielt, deren pöbelhafte Schmähungen fast
darauf berechnet schienen, die massenhaft herbeigeströmten Hörer zum Kriege
gegen die Protestanten aufzuwiegeln: da ward Luther ein elender Betrüger
genannt, die evangelische Ehe Hurerei, die gemischte Ehe ein Sakrileg, die
katholische Mutter, die ihr Kind protestantisch erziehen ließ, eine Frevlerin
wider die Gesetze der Natur. Das Argernis war so schlimm, daß mehrere
angesehene Protestanten — auch Thiersch war darunter — sich klagend
an die Krone wendeten. Diepenbrock, der damals noch dem Regensburger
Domkapitel angehörte, fand es unbegreiflich, wie man die Kanzel also zum
Fechtboden herabwürdigen könne, und sein Freund, der greise, schon tödlich
erkrankte Bischof Schwäbl hielt dem Münchener Eiferer in einem schönen
Briefe die Pflichten der christlichen Liebe vor: „so redet nicht der Geist
*) Dönhoffs Berichte, 20. Jan., 2. Febr. 1842.
**) Bernstorffs Berichte, 31. Okt., 2. Nov.; Gise an Bernstorff, 2. Nov.; Mini-
sterialschreiben an Bernstorff, 12. 13. Nov. 1845.