316 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
der kirchlichen Angelegenheiten einander mit der Pistole in der Hand gegen-
über; der Kriegsminister Gumppenberg und Präsident Graf Rechberg se-
kundierten. Nachdem jeder der beiden Gegner einmal gefeuert hatte, nahm
Abel noch auf dem Kampfplatze seine Beleidigungen zurück. Nachträglich
behauptete er jedoch, diese Zurücknahme wäre nur mit Einschränkungen
erfolgt. Nun entspann sich zwischen den vier hochgestellten Männern ein
höchst unanständiger Briefwechsel; alle Zeitungen besprachen die Vorgänge
bei dem Ministerduell auf das gründlichste. Und dies in einem Lande,
dessen Presse von dem leitenden Minister öffentlich als Buhldirne gebrand-
markt und durch eine eiserne Zensur niedergehalten wurde. Es war einer
jener häßlichen Skandalfälle, welche gemeinhin dem Sturze eines ver-
morschten politischen Systems voranzugehen pflegen. König Ludwig be-
gnügte sich indes, dem Fürsten Wallerstein vor Zeugen sein Bedauern
auszusprechen. Abel blieb im Amte, als wäre nichts geschehen.
Entsetzlich, wie nunmehr die kirchliche Feindschaft in alles eindrang
und dem Könige selbst seine besten Unternehmungen verdarb. Wohl er-
lebte er selige Stunden, als im Oktober 1842 die Walhalla eröffnet
wurde, der gewaltige, aus dem Dunkel deutscher Eichen weithin über das
Donautal schimmernde griechische Tempel; im Giebelfelde prangte die
Hermansschlacht, Schwanthalers schönstes Werk, bei dem sich der schnell-
fertige Meister doch einmal Zeit gelassen hatte, in dem majestätischen Innen-
raume Rauchs herrliche Viktorien inmitten der Büsten der großen Deutschen.
Aber Luther und Melanchthon fehlten; sie zuzulassen konnte der katholische
König sich jetzt nicht überwinden, obgleich Ernst Rietschel die Büste Luthers,
auf Ludwigs eigene Bestellung, schon vor Jahren vollendet hatte. Deshalb
begann sofort ein wüster Zank in Zeitungen und Flugschriften. Zu allem
Unglück geriet Ludwig auch noch auf den Einfall, das köstliche Geschenk, das
er der Nation darbot, mit einer Erläuterungsschrift zu begleiten. Nicht ver-
geblich waren seinen Gedichten von so vielen bedeutenden Männern über-
schwengliche Lobsprüche gespendet worden; selbst Rückert, der niemals schmei-
chelnde, hatte ihm zugesungen, das sei recht, daß der Schutzherr aller
Künste die Poesie im eigenen Herzen pflege:
Die Poesie ist aller Künste Mund.
Ihr ist des Menschen Sprache vorbehalten,
Und sie allein tut dem Bewußtsein kund,
Was unbewußt die andern schön gestalten.
Ludwig glaubte jetzt wirklich ein großer Schriftsteller zu sein und schrieb
das Büchlein „Walhallas Genossen“, kurze Lebensbeschreibungen der Helden
Deutschlands, in dem geschraubten Lapidarstile seines Lieblingshistorikers
Johannes Müller, mit einer starken Zutat königlicher Partizipialkonstruk-
tionen. Im Vorworte erzählte er, wie er schon in den Tagen der tiefsten
Schmach des Vaterlandes den Gedanken gefaßt hatte, „der fünfzig rühm-
lichst ausgezeichneten Teutschen Bildnisse in Marmor verfertigen zu lassen.