Die Walhalla. 317
Später — so fuhr er fort — wurde die Zahl vermehrt, dann auf keine
beschränkt und nur rühmlich ausgezeichneter Teutscher, fühlend, daß sagen
zu wollen, welche die rühmlichsten, Anmaßung wäre, wie denn auch zu
behaupten, daß es keine gäbe, die ebenso verdienten in Walhalla auf—
genommen zu sein, und mehr noch als manche, die es sind. Rühmlich
ausgezeichneten Teutschen steht als Denkmal und darum Walhalla, auf
daß teutscher der Teutsche aus ihr trete, besser, als er gekommen.“ Solche
Stilproben genügten um in der Presse, die überall gierig nach den Schwächen
der Mächtigen ausspähte, ein unauslöschliches Hohngelächter zu erwecken.
Die Deutschen vergaßen undankbar über dem abgeschmackten Beiwerk das
Wesentliche und Große, sie fragten nicht mehr, wo denn sonst noch in der
Welt ein solcher Kunstfreund lebte, so vaterlandsfroh, so hochherzig, so
tatkräftig.
Von der Walhalla fuhr der König nach Kehlheim, um dort auf
einem anderen Felsen des Donautals den Grundstein zu legen für
einen grandiosen Kuppelbau, der an die Schlachten der Befreiungskriege
erinnern sollte, Deutschtum und bayrischer Partikularismus lagen aber
in diesem wunderlichen Geiste dicht beieinander. Kaum hatte er dem
großen Vaterlande seinen Zoll abgetragen, so ließ er in München den
Bau einer bayrischen Spezial-Walhalla beginnen, mit der Kolossalstatue der
Bavaria davor. Da wurden denn alle die großen Franken Hutten, Dürer,
Vischer, die sich bei Lebzeiten von solcher Ehre nichts hatten träumen lassen,
noch im Grabe unnachsichtlich zu Bayern ernannt und mit der deutschen
Geschichte ein so tolles Spiel getrieben, wie wenn man heute von dem
Preußen Goethe reden wollte. Also fand die liberale Welt stets neuen
Stoff für wohlfeile Spötterei. Tieferen Mißmut erregten die unbedachten
Reden, mit denen in München die Denkmäler des Kurfürsten Max und
seines Tilly enthüllt wurden; in solchem Tone durfte man ein paritätisches
Volk nicht an die düsteren Zeiten der Glaubenskriege erinnern.
Noch immer täuschte sich der König über die Stimmung seines Landes
wie über sein eignes Herz. Nicht im entferntesten war er gemeint, die
milden Grundsätze seines geliebten Lehrers Bischof Sailer zu verlassen;
vielmehr schärfte er dem neuen Bischof von Regensburg nachdrücklich ein:
„daß Sie vorzüglich Sailer nachahmen, wünsche ich.“ Und doch hielt er
den grausamen Kniebeugungszwang hartnäckig fest, mit einigen kleinen
Erleichterungen, die ihm niemand dankte. Schon kam es so weit, daß
ein Dekan Redtenbacher sich in einer gedruckten Ansprache geradeswegs
an die Gewissen der protestantischen Soldaten wendete, um sie über die
Sündhaftigkeit der papistischen Zeremonien zu belehren. Der unerschrockene
Geistliche wurde gerichtlich verurteilt, der König aber mußte ihn begnadigen,
aus Furcht vor dem Unwillen der Protestanten. Mittlerweile betrieben
die Mönche und Nonnen, die jetzt überall in die Schulen und Wohl-
tätigkeitsanstalten eindrangen, das Rettungswerk an den jungen Seelen,