Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Roth und die bayrischen Protestanten. 321 
wesen, nach Beseitigung des grob rationalistischen Schulrats Stephani, 
wieder ein kräftiges religiöses Leben erweckt. Neuerdings bemühte er 
sich eifrig, die pfälzische Unionskirche, deren Vereinigungsurkunde allein 
die heilige Schrift als Glaubensgrund und Lehrnorm gelten ließ, auch 
zur förmlichen Anerkennung der symbolischen Bücher zu bewegen; dies 
Unternehmen verwickelte ihn von neuem in Streit mit seinem alten 
Gegner Paulus und konnte ohne Gewissenszwang unmöglich gelingen, 
da der Rationalismus in den Gemeinden der Pfalz noch vorherrschte.*) 
Also in beständiger Reibung mit den Epigonen der Aufklärung gelangte 
er zu einem verhängnisvollen Irrtum, der im Norden häufiger vor— 
kommt als in dem besser erfahrenen Süden; er betrachtete die Ultramon— 
tanen als seine natürlichen Bundesgenossen im Kampfe gegen den Un— 
glauben. Der König zeichnete den hochverdienten Beamten geflissentlich 
aus, Abel wußte ihn stets zu beschwichtigen, und mit Schmerz bemerkte 
der preußische Gesandte, wie viel Unbill das Oberkonsistorium von den 
Klerikalen hinnahm.**) Endlich gingen dem glaubensstarken Präsidenten 
doch die Augen auf, und seit er die Bedrängnis seiner Kirche erkannt 
hatte, verteidigte er ihre Rechte mit kluger Entschlossenheit. Er war es, 
der das schlimmste kirchliche Ärgernis beseitigte; durch einen freimütigen 
Brief an den König erreichte er, daß der schon mehrmals gemilderte 
Kniebeugungsbefehl im Dez. 1845 gänzlich aufgehoben wurde. Sieben 
Jahre hindurch waren also, ohne Sinn und Zweck, die Gewissen der Prote- 
stanten geängstigt und gequält worden. Am letzten Ende gereichten diese 
Händel der protestantischen Kirche des Landes zum Segen. Sie hatte 
durch tapfere Bekenntnistreue ihr Gemeingefühl gekräftigt, viele Gleich- 
gültige wiedergewonnen, selbst die Gegner zur Achtung gezwungen; sobald 
die ultramontane Sturmflut verrauschte, gestaltete sich das Verhältnis 
der beiden Kirchen gerade in Bayern sehr friedlich. 
Mittlerweile war der Landtag von 1842 noch ohne heftige Stürme 
vorübergegangen. Die Abgeordneten klagten über die teueren Pracht- 
bauten, andererseits über die Verwahrlosung der Schulen und die Knau- 
serei dieser Regierung, die so viele wichtige Amter unbesetzt ließ, alte 
Beamte stets vor Ablauf des fünfzigsten Dienstjahres verabschiedete, um 
ihnen die volle Pension vorzuenthalten. Doch der böse Streit wegen der 
Erübrigungen wurde wieder durch das persönliche Einschreiten des Königs 
beseitigt. Ludwig glaubte nur sein Kronrecht auszuüben, wenn er über 
die Ersparnisse frei verfügte, und nachdem er mehrere Landstände münd- 
lich ermahnt, schrieb er einem Getreuen kurzab: „Da untunlich, alle 
gutgesinnten, mir ergebenen Abgeordneten kommen zu lassen, schreib' ich 
Ihnen, dem mir sehr ergebenen Auerweck, daß Sie können den anderen 
  
*) Vgl. o. II. 242. 
**) Dönhoffs Berichte, 2. Jan. 1840 ff. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 21
	        
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