Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

330 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
kampfs sorgsam ausbreiteten, die Verteidiger der Regierung selbst nur 
verlegene Worte der Entschuldigung vorzubringen wußten, und die Mehr— 
heit schließlich, auf Itzsteins Antrag, dem Ministerium ihre wohlverdiente 
Mißbilligung aussprach. Der Beschluß bedeutete rechtlich gar nichts, da 
die erste Kammer ihm nicht zustimmte; gleichwohl fühlte sich Großherzog 
Leopold schwer betroffen. Er merkte wohl, fast das ganze Land war einig 
in dem Rufe: fort mit Blittersdorff; und doch ging es ihm gegen seine 
fürstliche Ehre, dem Drängen der Stände nachzugeben. Blittersdorff blieb 
im Amte, ohne den Landtag eines Besuchs zu würdigen, und in begreif— 
lichem Unmut hielten die Liberalen noch manche zornige Rede über die 
großen Wünsche der Zeit: Preßfreiheit, Schwurgericht, Beschränkung der 
Polizeigewalt. Auch einzelne radikale Heißsporne ließen sich schon ver— 
nehmen, die offenbar weit über die Ziele der liberalen Führer hinaus— 
strebten, aber durch Itzsteins diplomatische Väterlichkeit noch bei der Stange 
gehalten wurden: so der unaufhaltsame burschikose Großsprecher Friedrich 
Hecker, so Bürgermeister Baum, der kurzab verlangte: wenn der Edelmann 
im Zuchthause den Adel verliere, dann müsse folgerecht der bürgerliche 
Verbrecher in den Adelstand degradiert werden. Als die Stände im Sep- 
tember auseinandergingen, mochte die grollende Opposition nicht zu der 
feierlichen Schlußsitzung erscheinen, und der preußische Gesandte Radowitz 
berichtete traurig: „So wurde dieser Landtag geschlossen unter dem Lebe- 
hoch weniger, dem Schweigen vieler, der peinlichen Stimmung der Mehr- 
zahl.“*) 
Trotzdem erweckten die großen Reden dieses unfruchtbaren Landtags 
weithin in der liberalen Welt begeisterte Freude. Robert Prutz sendete 
„Badens zweiter Kammer“ drei Jubellieder: 
Der Itzstein und der Welcker 
Die gehen kühn voran. 
Schon tummeln sich die Völker, 
Schon bricht der Morgen an. 
Im Lande selbst war der Zweckessen und Versammlungen kein Ende; die 
Opposition wußte sich aller öffentlichen Lustbarkeiten so geschickt zu bemäch— 
tigen, daß selbst die Kirchenfeste des Oberlandes daneben fast zurücktraten. 
Welcker, der vor kurzem erst seine Freiburger Professur wieder erhalten 
hatte, wurde nunmehr, zu Metternichs absonderlichem Wohlgefallen**), zum 
zweiten Male willkürlich abgesetzt und siedelte nach Heidelberg über. Dort 
in seiner Villa, jenseits des Neckars, über dem roten Steinbruche, wo einst 
der Mithrastempel der Römer gestanden hatte, pflegten sich die Liberalen zu 
ernsten Beratungen zu versammeln. Lustiger ging es in Hallgarten zu, 
wo Itzstein seine Sommerrast hielt; hier und in den weinseligen Nachbar— 
  
*) Radowitzs Bericht, 10. Sept. 1842. 
**) Metternich, Weisung an Trauttmansdorff, 19. Okt.; Otterstedts Bericht, 
6. Nov. 1841.
	        
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