Itzstein. Welcker. Haber. 331
orten begrüßten sich die Badener mit den Gesinnungsgenossen aus Nassau
und Hessen. Auf einem dieser Rheingaufeste stimmte Hoffmann von Fallers—
leben, der Unvermeidliche sein „Willkommen Vater Itzstein“ an — ein
Lied, das rasch die Runde durch Süddeutschland machte, weil es die red—
selige Gesinnungstüchtigkeit der Zeit so gar unschuldig wiedergab:
Laßt uns öffentlich besprechen
Voller Männermut
Unsre Leiden und Gebrechen,
So wie Er es tut!
Vaterland, freue dich!
Deine Nacht wird immer heller.
Itzstein unser Stern
Leuchtet nah und fern!
Bei dem Jubelfeste der badischen Verfassung 1843 beging die Regierung
die unbegreifliche Torheit, sich aller amtlichen Teilnahme zu enthalten,
und die Feier gestaltete sich zu einem lärmenden Triumphe der Opposition.
Vater Itzstein verteilte seine Festredner über alle Städte des Landes; er
selbst ging nach Griesbach, wo vor fünfundzwanzig Jahren das Grund—
gesetz unterschrieben worden war, und die Bauern begrüßten ihn überall
festlich als den Schirmherrn des Landesrechts. Alle die Weihereden, die
nachher Mathy in einem umfänglichen Bande gesammelt herausgab, alle
die Hochrufe auf die geliebte Verfassung klangen wie ein drohendes
Schlachtgeschrei gegen Blittersdorff.
Zu allem Unheil wurde der politische Streit auch noch durch einen
widerwärtigen Hofskandal vergiftet. Der berüchtigte karlistische Agent Moritz
v. Haber, ein verlorener Sohn des Hofbankhauses Salomon Haber, war
kürzlich heimgekehrt, nachdem er sich lange im Auslande, bald als Jude
bald als Katholik bald als Protestant umhergetrieben, und hatte zum all—
gemeinen Erstaunen rasch das Vertrauen der stolzen, geistvollen Groß-
herzogin Sophie gewonnen; er half ihr die zerrütteten Vermögensverhält-
nisse ihres unglücklichen Bruders, des Prinzen von Wasa zu ordnen. Er
stand in Verbindung mit dem Hause Rothschild und mit Benazet, dem
verrufenen Pächter der Spielbank von Baden-Baden; auch mit Blitters-
dorff verkehrte er vertraulich, da der Minister gewagte Geldgeschäfte liebte.
Der Großherzog aber und seine Brüder betrachteten den verschmitzten
Abenteurer mit erklärlichem Mißtrauen; das Zerwürfnis am Hofe ward
bald offenkundig, die klatschsüchtige Residenz erzählte sich Wunder von
Habers Verworfenheit und seinen reaktionären Plänen. Man nannte
ihn die Geißel des Landes. Die Gesellschaft in Baden-Baden schloß ihn
von ihren Festlichkeiten aus, und als Haber deshalb einen Leutnant v. Göler
forderte, entschied das Ehrengericht, mit einem solchen Manne könne ein
Offizier sich nicht schlagen. Da trat ein vornehmer Russe für Haber ein,
und in dem Duelle, das nun folgte, fanden Göler und sein russischer
Gegner beide den Tod. Diese Nachricht entflammte die Wut des Volkes,