348 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
Flügel verlangte sogar schon, infolge einer Petition Robert Blums Ver—
minderung des Heeres und Vereidigung der Truppen auf die Verfassung.
Für diesmal ward sie noch geschlagen; der Hof fühlte jedoch, wie die
Zuversicht der Gegner unaufhaltsam anwuchs, und ließ den Nachbar-
höfen aussprechen, nur feste Eintracht aller Kronen könne noch retten.
Darauf versprach ihm Metternich die moralische Unterstützung Osterreichs;
der preußische Gesandte aber, der alte Jordan, der doch sonst den Herr-
gott gern einen guten Mann sein ließ, sagte sorgenvoll: „Ich fürchte, es
dürfte die Zeit kommen, wo das appui moral nicht mehr ausreichen
wird.““
In der Tat hatte Robert Blum seit jenen stürmischen Augusttagen
eine gefährliche Macht erlangt. Es erfüllte sich, was der Osterreicher
Hübner damals voraussagte: Blum hält die Ordnung aufrecht, und
„diesen Dienst wird er sich teuer bezahlen lassen“. Die Regierung konnte
ihm nichts anhaben, sie war dem klugen Demagogen sogar Dank schuldig.
Das Volk betete ihn an, bei keinem Zweckessen, keiner politischen Versamm-
lung durfte er fehlen; seine Freunde schürten überall die Mißstimmung,
und es war wesentlich sein Werk, daß beim Ausbruch der Revolution
Sachsen neben Baden als das radikalste aller deutschen Länder erschien.
Seltsamerweise — so wenig kannten die Minister ihr eigenes Land —
fand Blum in den kleinen Industriestädten mehr Anhänger als in Leipzig
selbst. Zwar umgab ihn auch hier eine starke Partei, die er durch die
Schillerfeste und seinen neugegründeten Redeübungsverein stets in Atem
hielt; der Kern der reichen, gebildeten Bürgerschaft aber gehörte dem ge-
mäßigten Liberalismus an, und als die Tage der Prüfung kamen, da hielt
sich keine Stadt des Landes so ruhig, so gesetzlich, wie dies von der Re-
gierung so schnöde behandelte Leipzig.
Also blieb die deutschkatholische Bewegung für das religiöse Leben
gänzlich unfruchtbar und bewirkte nur, daß die römische Kirche unangreif-
barer denn je erschien. In den Landtagen wurde natürlich um die Dul-
dung der neuen Sekte lebhaft gestritten; je liberaler eine Regierung war,
um so freundlicher kam sie den Anhängern Ronges entgegen, so vornehm-
lich der Braunschweiger Hof. Im badischen Landtage verlangte Pfarrer
Zittel die völlige Religionsfreiheit und Rechtsgleichheit für alle christlichen
Sekten. Ein echter Sohn des badischen Pfarrhauses, vielseitig gebildet,
mild, fromm, ganz von Hebels menschenfreundlicher Weisheit erfüllt, hätte
Zittel gern auch für die Juden alle bürgerlichen Rechte gefordert und stand
davon nur ab, weil er den tiefen Abscheu seiner Bauern gegen die Güter-
schlächter und Roßtäuscher kannte. Aber selbst mit seinem beschränkten An-
trage vermochte er noch nicht durchzudringen, da die Ultramontanen im
Oberlande Lärm schlugen und die Regierung bedenklich wurde.
*) Jordans Bericht, 3. Nov. 1845.