Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

364 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
Konferenz“ in Berlin. Durch persönliche Würde, tiefen Glaubensernst 
und umfassende juristische Sachkenntnis erlangte Bethmann-Hollweg bald 
die Stellung des Führers unter den Tagenden. Gleichwohl ließ sich an 
einen augenblicklichen Erfolg gar nicht denken, da die kirchlichen Zustände 
der einzelnen Lande sich durch eine wirrenreiche Geschichte so grundver— 
schieden gestaltet hatten und auch der partikularistische Eigensinn kräftig 
heraustrat. Die bischöflichen „Kirchen“ Friedrich Wilhelms mit ihren 
Presbytern und Diakonen fanden in der Versammlung gar keinen An- 
klang, während er wiederum den von Württemberg vorgelegten Verfas- 
sungsentwurf nicht billigen mochte.“) Nach sechs Wochen endeten die Be- 
ratungen ohne ein bestimmtes Ergebnis. Ganz ohne Folgen blieb der 
verfrühte Versuch doch nicht. Aus dieser Versammlung gingen die 
Eisenacher Konferenzen hervor, die sich in späteren Jahren regelmäßig 
unter Bethmann-Hollwegs Leitung vereinigten und zur Klärung des 
wieder erstarkten kirchlichen Lebens manches beitrugen. 
Nach solchem Mißerfolge schien es um so ratsamer, zunächst die 
Verfassung der preußischen Landeskirche unter Dach zu bringen. Auf 
Pfingsten 1846 berief der König die erste evangelische Generalsynode. 
Sie bestand aus 37 Geistlichen und 38 Laien — aus den General- 
superintendenten, aus Vertretern der theologischen und juristischen Fakul- 
täten und einigen durch die Kirchenbehörden der Provinzen vorgeschlagenen 
Mitgliedern geistlichen und weltlichen Standes; sie erschien mithin als eine 
Notabelnversammlung, welche zwar nicht den Willen der Kirche förmlich 
aussprechen konnte, aber durch Ansehen, Einsicht, Erfahrung wohl be- 
fähigt war, die künftige Kirchenverfassung vorzubereiten. Mehr verlangte 
Friedrich Wilhelm auch nicht; er ließ noch keinen Verfassungsplan aus- 
arbeiten, sondern erwartete zunächst nur, daß die Berufenen „sich aus- 
sprächen“. Aber wie gehässig wurden seine edlen Absichten wieder miß- 
deutet. Das Bürgertum der großen Städte des Ostens war durch den 
lichtfreundlichen Adressensturm stark erregt; um Ronge zu ehren, hatten 
die Berliner sogar Volksversammlungen unter den Zelten abzuhalten 
gewagt. Nach all dem wirren freigeisterischen Gerede dieser Jahre hatte 
man für die kirchlichen Pläne des Monarchen nur noch Hohn und freche 
Witze. Als die Erzbilder der Rossebändiger auf der neuen Schloßterrasse 
aufgestellt wurden, da hieß es überall, der König könne seinen Hengsten- 
berg gar nicht nahe genug bei sich haben; Varnhagen aber und sein Kreis 
verurteilten die Generalsynode schon im voraus als eine geistliche Spie- 
lerei der Weltlichen. Zehn Städte sendeten ihren zur Generalsynode ein- 
berufenen Mitbürgern Weisungen im Sinne der modischen Aufklärung; 
die Magdeburger erklärten ihrem Stadtrat Grubitz, sie könnten diese Ver- 
sammlung nicht als eine Vertretung der Landeskirche anerkennen, und 
  
*2D) Snethlage an Thile, 5. Febr.; Thiles Bericht an den König, 5. Febr. 1846.
	        
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