Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

440 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. 
wänden fehlen, um den Vertrag nach sechs Monaten zu kündigen und 
das ganze Werk über den Haufen zu werfen. Für Preußen aber stehe 
Großes auf dem Spiele. Ließe sich die Krone von einem schwachen Nach- 
barn also verhöhnen, dann müßten die Zollverbündeten alles Vertrauen zu 
Preußen verlieren, „und auf diesem Vertrauen allein — so schrieb Thile — 
ruht das ganze Gebäude des Zollvereins.““) Diese Gründe überzeugten 
den König. Er sendete die beiden Luxemburger heim und schrieb noch- 
mals sehr eindringlich an den Freund im Haag (12. Jan. 1842): „Der 
gegenwärtige Zustand ist und muß sein das physische und moralische Ver- 
deutschen Seite hin, so werden deine Feinde über Unbeständigkeit schreien; 
wendest du dich nach der anderen, der schlechten Seite, so wirst du 
ganz Deutschland gegen dich haben. Und das will etwas sagen, teuerer 
Wilhelm, seit dem Jahre 1840.“ 77) 
Nunmehr gab der Oranier sein Spiel verloren; er wußte, wie ver- 
ächtlich alle deutschen Höfe über ihn redeten, und er war klug genug, 
den unehrenhaften Handel jetzt rasch aus der Welt zu schaffen. Darum ant- 
wortete er freundlich und sendete seinem königlichen Vetter, der soeben die 
Taufreise nach England angetreten hatte, alsbald zwei neue Unterhändler 
nach London, die angesehenen niederländischen Diplomaten Rochussen und 
van Heekeren.“) Mit diesen beiden verhandelte der König persönlich in 
Bunsens Hause und genehmigte am 29. Jan. 1842 ein Protokoll, das den 
Augustvertrag wiederherstellte: Luxemburg trat, zunächst auf vier Jahre, 
dem Zollvereine bei, die Zahl der anzustellenden preußischen Beamten 
sollte so gering wie irgend möglich bemessen werden. Hocherfreut meldete 
er dies Ergebnis dem reuigen Vetter, und da bei dem Versöhnungsfeste 
auch das Opferlamm nicht fehlen durfte, so verhieß er zugleich in tiefem 
Geheimnis: sein Gesandter Graf Lottum, der sich mit preußischer Deut- 
lichkeit über den oranischen Biedersinn ausgesprochen hatte, würde nicht 
wieder in den Haag zurückkehren.], 
Nach solchen Wirren wurde die kleine Westmark dem Zollverein ein- 
verleibt, und kaum ein anderes deutsches Land hat aus der nationalen 
Handelseinheit größeren wirtschaftlichen Vorteil gezogen. Der lange 
Belagerungszustand in der Hauptstadt und die fast gesetzlose Verwaltung 
der provisorischen belgischen Behörden draußen hatte das Ländchen von 
Grund aus verwüstet; Handel und Wandel lagen danieder, nur der 
  
*) Berichte an den König, von Maltzan 28. Dez. 1841; von Maltzan, Alvens- 
leben und Thile, 3. Jan.; von Thile, 3. Jan. 1842. 
**) König Friedrich Wilhelm an König Wilhelm II., 12. Jan. 1842. 
***) König Wilhelm II. an König Friedrich Wilhelm, 25. Jan. 1842. 
) Protokoll, London, 29. Jan. 1842, gez. von Rochussen und Heekeren, genehmigt 
von König Friedrich Wilhelm. Bunsen an Thile, 29. Jan.; König Friedrich Wilhelm 
an König Wilhelm II., 29. Jan. 1842.
	        
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