442 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft.
beigetreten war, verminderte sich dort der Verbrauch der Kolonialwaren
keineswegs — doch sie wurde allgemein geglaubt, und als die Binnen-
länder den Anschluß des Steuervereins laut verlangten, da erschien in
einer hannoverschen Zeitung ein trutziges Lied, das den ganzen Gedanken-
reichtum des welfischen Nationalstolzes treu wiedergab:
Wir wollen ihn nicht haben,
Den preußischen Zollverein
Wir wollen ferner brauchen
Zum Punsch den echten Rak,
Wir woll'n auch ferner schmauchen
Ein gutes Blatt Tabak!
Zu Anfang 1841 verhandelten die verbündeten Staaten in guter Ein-
tracht über die Verlängerung der Steuervereins-Verträge. Da verlangte
Braunschweig zuletzt noch, Hannover solle den mit Preußen gemeinsam
begonnenen Bau der neuen Straße von Salzwedel nach Ülzen einstellen,
weil dies Unternehmen die alte von Magdeburg über Braunschweig nach
Lüneburg führende Straße zu schädigen drohte. Damit muteten die
Braunschweiger dem welfischen Königshofe einen offenbaren Treubruch zu,
denn jener Straßenbau war auf Hannovers eigenen Wunsch mit Preußen
verabredet worden. Gleichwohl nahm der hannoversche Bevollmächtigte
den Vorschlag an, seine Regierung genehmigte diesen Schritt ausdrück-
lich, der Vertrag ward abgeschlossen, und es fehlte nur noch der Austausch
der Ratifikationen. Bei näherer Erwägung fand der alte Welfe diese
Klausel doch unanständig und verlangte nachträglich noch Anderungen.
Er verfuhr also ähnlich wie der König-Großherzog von Luxemburg, nur
konnte er für seinen verspäteten Gesinnungswechsel mindestens einen
achtungswerten Grund anführen. Darob entbrannte nun der Herzog von
Braunschweig in hellem Zorne. Ihm war der hoffärtige Ton, den die Han-
noveraner gegen die kleineren Höfe anzuschlagen liebten, längst zuwider;
jetzt meinte er durch die Wortbrüchigkeit der Nachbarn „seine Würde, sein
Ansehen, sein Recht“ gefährdet, und in einem eigenhändigen Briefe kündigte
er dem Welfenkönige an, daß er aus dem Steuervereine austrete. Hier-
auf suchte er Hilfe bei Preußen — weil ihm ein gegen Preußen gerichteter
feindseliger Anschlag mißlungen war! Eine so verwegene Schenkung war
neu, selbst in der Geschichte des Zollvereins, die von kleinstaatlicher Dreistig-
keit und preußischer Langmut gar viel zu erzählen wußte. In den letzten
Märztagen erschien der Finanzdirektor v. Amsberg in Berlin, ein fähiger,
in der Volkswirtschaftspolitik wohl bewanderter Staatsmann, der, freier
gesinnt als sein Herzog, schon die Zollvereinigung des gesamten Vater-
lands ins Auge faßte. Er überbrachte eine Zuschrift des braunschweigi-
schen Staatsministeriums, welche trocken anzeigte, „daß plötzlich einge-
tretene Hindernisse die Erneuerung unserer Steuervereinigungs-Berträge
mit dem Königreich Hannover und dem Großherzogtum Oldenburg un-