Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Plan eines belgisch-französischen Zollvereins. 459 
daß viele französische Fabrikanten den Wettbewerb Belgiens fürchteten und 
durch ihren Einspruch die Verhandlungen erschwerten. 
Wollte der Brüsseler Hof die ihm von allen Mächten verbürgte Neu— 
tralität gewissenhaft einhalten, so durfte er mit keiner Großmacht einen 
Zollverein schließen, am allerwenigsten mit Frankreich; denn was die 
Anwesenheit französischer Zollbeamten im Auslande bedeutete, das hatte 
Europa im Zeitalter der Kontinentalsperre zur Genüge erfahren. Sicher— 
lich konnte der kluge Koburger diese handgreifliche Wahrheit nicht ver— 
kennen. Wenn er den unmöglichen Gedanken eines belgisch-französischen 
Zollvereins aufwarf, so hegte er offenbar nur die Absicht, nach langem 
Schaukeln schließlich von beiden Nachbarn günstige Handelsverträge zu 
erlangen; war doch das belgische Zwischenland mit seinem umfänglichsten 
Verkehre auf Frankreich, mit seinen wertvollsten Erzeugnissen auf Deutsch- 
land angewiesen. Das abgefeimte kaufmännische Spiel währte drei volle 
Jahre hindurch, so daß Bunsen fast die Hälfte seiner Berichte diesen 
Nachrichten widmen mußte. Zuweilen verstieg sich der Koburger bis zu 
Drohungen; einmal sagte er gar: ich scheue nicht den Krieg mit den Ost- 
mächten, die mich gar zu schlecht behandelt haben, dann würde ich mich 
ganz in Frankreichs Arme werfen.“) 
Die preußische Regierung, als die zunächst beteiligte Macht, bot wider 
diese Zettelungen alles auf; sie verlangte, da der König sich in schwieriger 
Lage immer gern an das gesamte Europa wendete, daß die Bürgen der 
belgischen Neutralität auf einer Konferenz gemeinsam erklären sollten, ein 
neutraler Staat dürfe keinen Zollverein mit dem Auslande schließen. 
Sie erfuhr jedoch wieder einmal, wie wenig eine europäische Gesamt- 
bürgschaft bedeutet. Jede der Mächte suchte sich hinter den anderen zu 
verstecken; jede fürchtete durch eine förmliche Erklärung dem Ministerium 
Guizot Verlegenheiten zu bereiten und also den so mühsam gesicherten 
europäischen Frieden wieder zu gefährden. Den Grundsätzen Preußens 
stimmten sie wohl zu; doch von einer Konferenz wollten sie alle nichts 
wissen, und selbst Nesselrode sprach nur lau.*“) Metternich sendete ein- 
mal eine scharfe Depesche an den Botschafter in Paris und rühmte sich 
mit gewohntem Selbstgefühl gegen den preußischen Gesandten: „ich habe 
diesen Plan getötet;“.) nachher tat er nichts mehr, obwohl der Plan 
noch lange am Leben blieb. Aberdeen floß von freundschaftlichen Ver- 
sicherungen über, er beteuerte, daß er den König der Belgier mehrmals 
schriftlich und mündlich gewarnt hätte; im Notfalle wollte er sogar die 
Hand bieten zu einer gemeinsamen Erklärung der vier Mächte am Tui- 
lerienhofe; für jetzt schien ihm aber ein solcher Schritt nicht recht zeit- 
  
*) Bunsens Bericht, 11. Nov. 1842. 
*“) Liebermanns Berichte, 27. Dez. 1842, 11. Jan. 1843 ff. 
*###) Canitzs Bericht, 8. Dez. 1842.
	        
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