Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

H. v. Arnim. Preußisch-belgischer Handelsvertrag. 461 
müsse Preußen die Verständigung durchsetzen, und nach langen Mühen 
schloß er am 1. Sept. 1844 eigenmächtig den Handelsvertrag ab. Belgien 
erlangte die Herabsetzung der deutschen Eisenzölle, also eine wichtige Be- 
günstigung gerade für seine wallonischen, den deutschen Nachbarn bisher 
feindlichen Provinzen; der Zollverein aber erhielt die beruhigende Ge- 
wißheit, daß der kleine Nachbarstaat für die Dauer des Vertrags keinem 
Zollvereine beitreten konnte, außerdem wurde die schon früher zugestandene 
freie Durchfuhr für die Bahnlinie Aachen-Antwerpen abermals anerkannt. 
Einen wirtschaftlichen Vorteil errang Deutschland mithin durchaus nicht; 
die Begünstigung des belgischen Eisens widersprach nicht nur den Grund- 
sätzen des Zollvereins, der sonst keine Differentialzölle gewährte, sie schä- 
digte auch den deutschen Bergbau, der dem Wettbewerbe der älteren und 
reicheren belgischen Eisenwerke noch nicht gewachsen war. König Leopold 
hatte abermals seine kaufmännische Gewandtheit bewährt, und als er dann 
(1845) auch mit Frankreich einen günstigen Handelsvertrag schloß, da 
durfte er sich wohl rühmen, daß seine Schaukelpolitik reiche Zinsen trug. 
Die großen Erwartungen, welche Arnim von dem freien Antwerpener 
Durchfuhrhandel hegte, erfüllten sich nicht. Er hoffte, der Verkehr auf 
der Schelde würde sich wieder so reich gestalten, wie einst in den fernen 
Tagen, da die Hansen sich ihr mächtiges Deutsches Haus am Hafen er- 
baut hatten; Antwerpen sollte das Emporium des deutschen Westens 
werden, den Rheinhandel von Holland ablenken und also schließlich auch 
die Hansestädte zwingen, dem Zollvereine beizutreten. Er entwickelte diese 
Gedanken in einer geistreichen Denkschrift, welche unter dem Titel „Ein 
handelspolitisches Testament“ in zwölf Exemplaren gedruckt und, obwohl 
die Zeitungen sie gar nicht kannten, von allen Blättern der Schutzzoll- 
Partei höchlich gerühmt wurde. Arnims letzte Hoffnung war ein deut- 
sches Differentialzoll-System, das doch ohne eine zwingende Reichsgewalt 
und ohne die Mitwirkung der Hansestädte rein unmöglich blieb; und 
wieder, solange Deutschland den holländischen Handel nicht durch harte 
Unterscheidungszölle, zum Schaden unserer Rheinlande selbst, belästigte, 
konnte sich auch der große Verkehr nicht vom Rheine nach der Schelde 
hinüberziehen. Genug, der belgische Vertrag brachte dem Zollvereine un- 
mittelbar keinen Gewinn; gleichwohl empfing der Gesandte für sein eigen- 
mächtiges Verfahren das warme Lob seines Hofes. Mit gutem Grunde; 
die politische Notwendigkeit entschuldigte viel, die Vereinigung Belgiens 
mit dem französischen Zollsysteme mußte durchaus verhindert werden. 
Dies leuchtete auch den zollverbündeten Höfen ein; sie waren schon im 
voraus von der preußischen Regierung darauf hingewiesen worden, daß 
der Handelsvertrag nur durch Begünstigung des belgischen Eisens zu er- 
langen sei, und billigten nachträglich alles. König Ludwig vornehmlich 
freute sich, seinen geliebten Zollverein aus einer schweren Gefahr errettet 
zu sehen. Zum Glück zeigten sich selbst die süddeutschen Schutzzöllner
	        
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