Karlsruher Zollkonferenz. Versöhnung. 173
regierten, sich einander wieder zu nähern. Auf eine ernste Anfrage Preu-
hens, ob der Zollverein fortbestehen solle, antworteten alle Regierungen
versöhnlich. Eine treffliche Schrift Kühnes über die Entwicklung des Zoll-
vereins seit 1834 zeigte auch dem großen Publikum anschaulich, was
Deutschland an seinem Handelsbunde besaß. Man begann sich zu ver-
ständigen, und als im Sommer 1846 die Zollkonferenz zu Berlin wieder
zusammentrat, da meinte Canitz sarkastisch: „der Karlsruher Rausch scheint
ausgeschlafen.“ Die Schutzzöllner freilich mußten für ihren lärmenden
übermut büßen. Rönne, der das Getobe sogar durch Indiskretionen
gefördert hatte, sah sich jetzt überall zurückgesetzt, er verlangte seine Ent-
lassung, die der König jedoch nicht annehmen wollte; und die neuen
Vermittlungsanträge, welche Geh. Rat v. Patow auf der Konferenz
glücklich verteidigte, boten der Schutzzoll-Partei etwas weniger als vor-
dem die Karlsruher Vorschläge. Es war die Fabel von den sibyllini-
schen Büchern. Man einigte sich über eine Erhöhung der Garnzölle,
die hinter den Wünschen der Schutzzoll-Partei weit zurückblieb. Die Re-
gierungen aber atmeten auf; gleich ihnen die große Mehrheit der Na-
tion; denn nachdem der Zollverein diese Gefahr überstanden hatte, war
sein Bestand auf lange hinaus gesichert. Überdies wurden die Augen der
Welt bald durch ernstere politische Kämpfe von den Tarifstreitigkeiten ab-
gelenkt. —
Zu der Wiederversöhnung der Zollverbündeten hatte die Unfähigkeit
der Hofburg wider Willen mitgeholfen. Wenn die Fanatiker des Schutz-
zolls in Süddeutschland beständig einen österreichischen Zollverein ver-
langten, so mochten manche nur prahlen, viele meinten die Drohung ernst.
Denn seit dem Kölnischen Bischofsstreite entstand im Süden ganz in der
Stille eine österreichisch-großdeutsche Partei.*) Ihren Stamm bildeten die
Klerikalen, dann die preußenfeindlichen Schutzzöllner, endlich die alten
Domherrengeschlechter, die der fürstbischöflichen Herrlichkeit noch nicht ver-
gessen konnten und ihre Söhne meist im österreichischen Dienste unter-
brachten; erst späterhin schlossen sich auch demokratische Genossen an. List
selber wollte so weit nicht gehen; unerschöpflich in Einfällen und Plänen
stellte er jedoch die gefährliche Forderung auf, daß Bayern die Führung der
deutschen Handelspolitik, dem Oriente und den Donauländern gegenüber,
übernehmen müsse. Solcher Stimmungen konnte sich die österreichische
Politik, wenn sie klug und kühn verfuhr, leicht bemächtigen. Im Kaiser-
staate selbst wurde das harte, durch frechen Schmuggel überall durchbrochene
Prohibitivsystem gründlich verabscheut. Einzelne Unzufriedene verlangten
Anschluß an den deutschen Zollverein, am eifrigsten Graf Chotek, der
Oberstburggraf von Böhmen; *“) der Graf fand jedoch in seiner eigenen
*) S. o. IV. 721.
*“) Canitzs Bericht, 2. Sept. 1812.