Deutscher Schiffahrtsbund. 485
Ausland durch kräftige Retorsionen zur Milderung seiner Schiffahrts—
gesetze zu nötigen und also die allgemeine Handelsfreiheit vorzubereiten.
Freudig ging König Friedrich Wilhelm auf Rönnes Vorschläge ein; sein
allezeit begeisterter Bunsen meinte schon, dieser Schiffahrtsbund würde die
Briten zur Aufhebung der Navigations-Akte zwingen.) Inden Hansestädten
vertrat der Bremische Senator Duckwitz die patriotischen Gedanken mit
schönem Eifer; auch durch eine veröffentlichte Denkschrift verteidigte er
Rönnes Pläne. Obgleich er selbst weiter blickte als seine Mitbürger, so
konnte er sich doch nicht verbergen, daß die Hansen dem Zollvereine so
bald nicht beitreten würden, und schrieb also an List beschwichtigend:
die Schiffahrtssache sei viel wichtiger als „der elende Hader über Zoll-
anschluß“. Auf diesen elenden Zollanschluß kam aber schlechterdings alles
an; denn solange die Nordseeküste sich der nationalen Zollgemeinschaft
versagte, schwebte der Schiffahrtsbund in der Luft. Mit vollem Rechte
erwiderten Kühne, Beuth und die anderen erfahrenen Geschäftsmänner
des Finanzministeriums: ein solcher Bund könnte höchstens die deutschen
Schiffe einander gleichstellen, nicht aber ihre Ladungen, und dies sei doch
das Wesentliche. Zudem hatte der Zollverein bisher alle Unterscheidungs-
zölle verschmäht; der Gefahr feindseliger Retorsionen, welche ein Diffe-
renzialzoll--System immer in sich birgt, konnte er sich doch nur aussetzen,
wenn die Vorhäfen ihm wirklich gehorchten.
Trotz dieser augenfälligen Bedenken verfolgte Rönne seine Pläne weiter;
der Zwiespalt in der Leitung der preußischen Handelspolitik zeigte sich grell.
Im Jahre 1847 verhandelte Geh. Rat v. Patow deshalb zu Bremen mit
Duckwitz und jenem Hannoveraner Witte, den man erst kürzlich wegen grober
Feindseligkeit aus Berlin hatte ausweisen müssen. Er versicherte mit warmen
Worten, sein König wünschte durch den Schiffahrtsbund „das Prinzip
der deutschen Einheit “ zu sichern. Doch mit löblicher Gesinnung allein
ließ sich die harte Geschäftssache nicht bewältigen, schließlich scheiterte alles
an dem entschiedenen Widerspruche Hamburgs. Die Senatoren Kirchen-
pauer und Geffcken entwarfen eine gründliche Denkschrift über „das Diffe-
renzialzoll-System“, die alsbald gedruckt und von der Freihandelspartei mit
Jubel begrüßt wurde. Siegreich in der Kritik, wies sie nach, daß Ham-
burgs Zwischenhandel, wie er war, Unterscheidungszölle in der Tat nicht
ertragen konnte. Irgend einen Gegenvorschlag zum Schutze der deutschen
Schiffahrt boten die Hamburger freilich nicht, denn nach ihrer Meinung
war die schimpfliche Anarchie an unserer Nordseeküste ein beneidenswerter
Zustand des „Freihandels“; und frohlockend verkündete Prince Smith im
Berliner Freihandelsvereine, daß wieder einmal nichts zu stande ge-
kommen war.
Mittlerweile hatte die preußische Regierung in London sehr nachdrück-
*) Bunsens Berichte, 31. Juli 1846, 11. Aug. 1847 ff.