Griechenland und die Wittelsbacher. 535
Aberdeen — brauchen die Hellenen nicht, als eine Schutztruppe für den
inneren Sicherheitsdienst; und noch deutlicher sagte nachher Palmerston:
wir wollen diesem Volke seine byzantinischen Gelüste für immer aus—
treiben!*) Die neue Verfassung, mitsamt dem Artikel über die orthodoxe
Thronfolge blieb unverändert, stillschweigend anerkannt von den Schutz-
mächten. Also hatte Rußland die verschmähte Olga gerächt und sein Spiel
mindestens halb gewonnen. Die Wittelsbacher waren zwar nicht entthront,
doch jedermann mußte voraussehen, daß König Otto besten Falls nur
noch auf Lebenszeit regieren und sein Bruder Luitpold niemals die Krone
der Hellenen tragen würde. Mit vollem Rechte lärmten daher die bayri-
schen Zeitungen, am lautesten die ultramontanen, wider die Feindseligkeit
der Moskowiter. Nesselrode zählte aber zu jenen ehrlichen Leuten, denen
sich nichts beweisen läßt; er forderte Genugtuung, drohte mit Abbruch
des diplomatischen Verkehrs. Endlich ließ sich der Münchener Hof zu
einigen Entschuldigungen herbei und verbot seinen Zeitungen, auf Ruß-
land zu schelten.)
In Griechenland kämpften die Anhänger der drei Schutzmächte noch
lange miteinander. Brassier de St. Simon wurde abberufen, weil die Uhr
des Absolutismus abgelaufen war. England suchte seine Schuldforderungen
mit der äußersten Gehässigkeit, einmal sogar durch die Absendung von
Kriegsschiffen einzutreiben. Die Russen sahen diesen rohen Mahnungen
mit stiller Schadenfreude zu; König Friedrich Wilhelm aber, der freilich
nicht helfen konnte, beklagte bitterlich, wie die Mächte das unselige Land
also durch die britische Habgier zu Grunde richten ließen.*“) Zuletzt er-
rang Kolettis, der Führer der französischen Partei einen vollständigen
Sieg. Palmerston schäumte vor Zorn, als er diesen Triumph Guizots er-
fuhr. Er überhäufte die griechische wie die bayrische Regierung mit groben
Schmähungen und suchte auch Preußen gegen die beiden Wittelsbachischen
Höfe aufzuregen. „Das Königreich Griechenland“, schrieb er nach Berlin,
„ist von den drei Mächten nicht geschaffen worden für die persönlichen Vor-
teile und Vergnügungen eines bayrischen Prinzen, sondern ein bayrischer
Prinz ist von den drei Mächten zum König von Griechenland erwählt
worden, um die griechische Nation zu beglücken und ihr zu nützen“. Es
wird noch dahin kommen, daß König Otto „durch unfähige, bestechliche und
tyrannische Minister den Griechen ein System der Mißregierung und
Unterdrückung auferlegt, das die Stellung eines Untertanen des Königs
von Griechenland weniger erträglich macht, als die Stellung eines Rajahs
des Sultans.“ xF) Canitz erwiderte trocken: „uns liegt nur an der Un-
abhängigkeit Griechenlands, darum wollen wir seine Regierung nicht stören;
*) Bunsens Berichte, 11. März 1845, 5. März 1847.
**) Gise an Viollier, 7. Dez. Weisung an Graf Bray in Petersburg 7. Dez. 1843.
*“*) Canitz, Weisung an Rochow, 3. Sept. 1846.
#) Palmerston an Westmoreland, 18. Mai 1847.