Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Aufruhr in Krakau und Galizien. 545 
ihre hartherzigen Verwalter, die Mandatare. Im östlichen Galizien, wo 
nur die Edelleute Polen waren, die Bauern aber dem orthodoxen rot- 
russischen Volksstamme angehörten, wurde der Adelshaß noch durch kirch- 
liche und nationale Feindseligkeit verschärft; „ins Verderben soll der 
stolze Pole stürzen“, sagte ein Volkslied der Ruthenen. So brausten denn 
Mordbrand und Plünderung über die Edelhöfe dahin; ein ausgedienter 
Soldat Szela führte die wütenden Haufen an. 
Es war ein echt sarmatisches Schauspiel. Wie einst in den alten 
polnischen Reichstagen die Anarchie des Liberum Veto an der ärgeren 
Anarchie der bewaffneten Konföderationen ihre Schranke gefunden hatte, 
so wurde jetzt die Verschwörung der Edelleute durch die Raserei der Ro- 
botpflichtigen gebändigt. In der Hofburg war alles vom Schrecken ge- 
lähmt. Selbst die Regimenter zeigten sich nicht durchweg zuverlässig, bis 
in die Kreise der Offiziere war der Verrat eingedrungen. Die Behörden 
wußten sich nicht zu helfen und ließen die Mordbanden gewähren; der 
Kreishauptmann in Tarnow zahlte den Bauern sogar Geldpreise für jeden 
Edelmann, den sie gefangen einbrachten. Gewiß hatte der Wiener Hof 
die Zahlung dieser Blutgelder nicht selber anbefohlen, schon weil ihm der 
Mut fehlte; doch die Schande blieb an ihm haften, daß er die politische 
Revolution nur durch stillschweigende Duldung der sozialen Revolution 
bezwungen hatte. Nach einigen entsetzlichen Tagen verrauchte der Blut- 
durst; die Bauern kehrten heim, zufrieden in dem Gedanken, daß der rote 
Hahn so vielen Edelleuten aufs Dach geflogen war. Das alte System 
war mit seiner Weisheit am Ende. Metternich schrieb erleichtert: „der 
größte, der dickste und durch eine Anzahl von Umständen am meisten be- 
günstigte Versuch der Umsturzpartei hat gescheitert;““7) aber nach solchen 
Greueln wußte er dem zerrütteten Kronlande keine andere Sühne zu 
bieten als die Entlassung des kopflosen Statthalters und ein ganz un- 
genügendes Gesetz über die freiwillige Ablösung der Roboten. 
Der Aufruhr war besiegt, die Ruheseligen atmeten auf. Wer weiter 
sah, mußte ahnen, daß eine schwierige diplomatische Verwicklung bevorstand. 
Selbst der alte Welfenkönig bemerkte zu einem siegesfrohen Berichte seines 
Berliner Gesandten: „Ich bin nicht der Meinung, daß alles vorbei ist. 
Nun ist erst die politische Frage: was soll mit diese Republik werden ?“7) 
In der Tat kam der Wiener Hos, sobald die erste Angst überstanden war, 
unverzüglich auf seine alten Pläne zurück; das Brutnest aller pol- 
nischen Aufstände, die Republik Krakau sollte verschwinden, und gewiß 
ließ sich den Ostmächten jetzt nicht mehr zumuten, daß sie diesen traurigen 
Staat, nachdem er tatsächlich zerstört war, künstlich wieder aufrichten 
sollten. Schon am 25. Februar teilte Metternich seinen Vorschlag dem 
  
*) Metternich an Canitz, 20. März 1846. 
**) König Ernst August, Marginalnote zu Knyphausens Bericht vom 8. März 1846. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 35
	        
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