548 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
Sobald aber das Gebiet der Republik in die österreichische Zolllinie
eingeschlossen wurde, konnte dieser altgewohnte Geschäftsbetrieb unmöglich
fortdauern. Die preußische Regierung durfte also der Einverleibung erst
dann endgültig zustimmen, wenn dem deutschen Handel vorher mindestens
einige Entschädigung für die drohenden Verluste unzweideutig zugesichert
wurde; sie mußte ihre Bedingungen schnell und entschieden aufstellen, weil
der gefährdete Verkehr doch großenteils Schmuggelhandel war, nachträg—
liche Beschwerden also gewiß nichts erreichen konnten. Canitz fühlte dies
auch und ließ alsbald von den sachverständigen Handelspolitikern eine
Denkschrift ausarbeiten, die zu dem Schlusse gelangte, drei Zusicherungen
mindestens müsse Preußen fordern: zum ersten einen Packhof in Krakau
mit milder Kontrolle, zum zweiten Fortdauer der bisherigen niedrigen
Durchfuhrzölle im Krakauer Gebiete, zum dritten schleunige Vollendung
der längst verheißenen Krakau-Breslauer Eisenbahn nebst Erleichterungen
für den Durchfuhrverkehr.“) Diese überaus bescheidenen Bedingungen
genügten durchaus nicht, um die schlesischen Geschäftsleute, die seit einem
Menschenalter große Kapitalien in dem Krakauer Freihandelsgebiete an—
gelegt hatten, für ihre Einbuße schadlos zu halten, und die Denkschrift
selbst gestand, man könne auch noch weit mehr verlangen. Sollte Preußen
einen für Krieg und Handel gleich wichtigen Straßenknotenpunkt dicht an
seiner Grenze ohne jeden Rechtsgrund den Osterreichern übergeben und
dafür zum Danke sich den altgewohnten schlesischen Handelszug zerstören
lassen?
Da die Einverleibung Krakaus ohne Preußens endgültige Zustim—
mung unmöglich war, so konnte der Berliner Hof jetzt einige der Forde—
rungen durchsetzen, welche die bedrängte, zwischen dem Auslande einge—
klemmte schlesische Provinz schon seit Jahren aufstellte: freien Verkehr für
die alltäglichen Unterhaltungsmittel in den Grenzorten, freie Einfuhr der
schlesischen Leinengarne, die in Böhmen verwebt und dann zurückgesendet
wurden, vor allem aber Herabsetzung einiger Prohibitivzölle, namentlich
für Gewebe. Doch dazu gehörte volkswirtschaftliche Sachkenntnis, und
jetzt rächte sich's wieder, daß der erste Diplomat des Zollvereins, Eich-
horn in das Kultusministerium versetzt war. Von den obersten Räten
des Auswärtigen Amts vermochte keiner die handelspolitischen Folgen der
Einverleibung sicher zu beurteilen. Die Kaufmannschaften oder die zu-
nächst beteiligten Gewerbetreibenden wollte man auch nicht befragen, weil
der Aprilvertrag ja zunächst tief geheim bleiben sollte. So geschah es,
daß Canitz die handelspolitische Frage, die er durch rechtzeitiges Drängen
sicher entscheiden konnte, vorläufig in der Schwebe hielt.
An Zeit fehlte es wahrlich nicht; denn der Wiener Hof, der anfangs
*) Promemoria über die Wichtigkeit der dermaligen politischen Verhältnisse der
freien Stadt Krakau für den schlesischen Handel. 30. April 1846. (Vermutlich aus dem
Handelsamte.)