Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Krakauer Freihandel. Graf Arnim in Wien. 549 
so eifrig vorgegangen war, zeigte sich jetzt sehr bedachtsam, weil er den Ein- 
spruch der Westmächte fürchtete. Preußen und Rußland zogen ihre Truppen 
aus Krakau zurück, auch die drei Residenten kehrten heim, die Stadt wurde 
vorläufig von österreichischen Regimentern bewacht; denn die drei Mächte, 
die sich, etwa mit dem gleichen Rechte wie die Schutzmächte Griechenlands, 
les puissances créatrices et protectrices de Cracovie nannten, wollten 
der Welt unzweifelhaft beweisen, daß ihr Schützling augenblicklich gar keine 
Regierung mehr besäße.“) Gleichwohl ließ Metternich den ganzen Sommer 
verstreichen, ohne die Gesandten Preußens und Rußlands zu der verab- 
redeten Konferenz zu berufen; er sagte weise: zum Bekennen der Grund- 
sätze bin ich immer rasch bereit, aber zum Handeln warte ich die rechte 
Zeit ab.) 
Im Juli besuchte König Friedrich Wilhelm den österreichischen 
Staatskanzler auf der Durchreise in Königswart, und hier bot sich ganz 
von selbst die Gelegenheit, Preußens handelspolitische Forderungen unbe- 
dingt und nachdrücklich auszusprechen. Sie blieb unbenutzt; das politische 
Gespräch bewegte sich nur um die preußische Verfassungsfrage. Erst nachher, 
am 28. August, sendete der König an Metternich einen jener unglück- 
lichen, gemütvollen Briefe, wodurch er schon so oft klare diplomatische 
Geschäftssachen verdunkelt hatte. Er wünsche, so schrieb er, in Krakan 
den bestehenden Zustand, also auch die Handelsfreiheit bis zu einer neuen 
Übereinkunft zu erhalten, er wolle jedoch „im Vertrage bleiben und nicht 
abspringen“ und überlasse dem Wiener Hofe vertrauensvoll, den rechten 
Zeitpunkt für die Einverleibung zu bestimmen. Metternich antwortete 
(27. Sept.) mit einigen nichtssagenden Beteuerungen: „Heute ist der 
Moment der Handlung noch nicht gekommen. Ich habe die Herren noch 
nicht einmal um mich versammelt und bitte Ew. Maj., Sich auf jeden Fall 
auf mich zu verlassen, denn ich gehöre nicht zu denjenigen, welche Ver- 
trauen zu mißbrauchen die Gefahr laufen.“) 
Zu allem Unglück war Preußen augenblicklich in Wien wieder so 
schlecht vertreten wie einst in den bösen Tagen des Fürsten Hatzfeldt. Unter 
einer schwachen Regierung pflegt die Diplomatie Nationalstolz und Selbst- 
vertrauen schnell zu verlieren, nirgends schneller als im fremdbrüderlichen 
Deutschland. Canitzs Nachfolger, Graf Arnim, ein behaglicher Lebemann 
und Feinschmecker, bekannt unter dem Namen des Kuchen-Arnims, hatte 
als Gesandter in Paris viele Freundlichkeit erfahren, weil er dem Bürger- 
könige immer nach dem Munde sprach; jetzt an der Donau befreundete 
er sich ebenso rasch mit der k. k. Politik. Alltäglich erschien er morgens und 
abends in der Staatskanzlei, jeder Ausspruch Metternichs war ihm heilig. 
Arnim wurde angewiesen, zunächst die drei Punkte jener Denkschrift — 
*) Canitz, Weisung an Rochow, 24. Juni 1846. 
**) Graf Arnims Bericht, 21. Sept. 1846. 
7' ) Metternich an König Friedrich Wilhelm, 27. Sept. 1846. 
 
	        
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