Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Wiener Vertrag. Einverleibung Krakaus. 551 
wieder mit der österreichischen Monarchie vereinigt werden sollte.) 
Wenige Tage nachher verkündigte Kaiser Ferdinand öffentlich die Besitz- 
ergreifung und im Januar wurde das k. k. Mautsystem im Krakauer Ge- 
biete eingeführt. Die preußische Regierung war plump überlistet und sah 
sich zudem dem gerechten Vorwurfe ausgesetzt, daß sie die Interessen ihres 
Landes töricht preisgegeben hätte. 
Die einzig mögliche Antwort auf ein so unerhörtes Verfahren war 
die Abberufung des pflichtvergessenen Gesandten. An Arnims nichtige 
Unterschrift brauchte sich die Krone nicht zu binden; freilich hatte sie ihre 
schärfste Waffe schon selbst aus der Hand gegeben, da ihre Truppen im 
Sommer aus Krakau abgezogen waren. Der König fand es unritter- 
lich, die Zwietracht im Lager der Ostmächte vor aller Welt zu bekunden, 
eben jetzt, da die gesamte öffentliche Meinung Westeuropas über die neue 
Teilung Polens zürnte. Graf Arnim blieb, streng getadelt, auf seinem 
Posten; er bat flehentlich um Verzeihung und suchte sich zu entschuldigen, 
indem er alle die Märchen über den Krakauer Handel, die ihm die Oster- 
reicher vortrugen, gedankenlos nachsprach. Man sagt mir nach, so schrieb 
er gemütsruhig, daß Metternich mich in der Tasche hätte; das hat man 
aber auch von allen früheren preußischen Gesandten hier behauptet. *) Er 
erhielt Befehl, sofort Verwahrung einzulegen und sich weitere Anträge vor- 
zubehalten. Aber die Unterschrift wurde nicht zurückgezogen, das Wiener 
Protokoll bestand mithin zu Recht. Das Spiel war verloren; verspätete 
Beschwerden konnten nur zu neuen Beschämungen führen. Als bewährter 
Diplomat war Canitz anfangs mit großen Hoffnungen begrüßt worden; 
jetzt zeigte sich doch, daß der König auch diesmal nicht den rechten Mann 
gefunden hatte. Der geistreiche Minister begann seine neue Laufbahn mit 
einer schimpflichen Niederlage, und während seiner gesamten Tätigkeit 
im Auswärtigen Amte sollte ihn das Unglück unablässig verfolgen. 
Der Zar stand in diesem Streite von vornherein auf seiten Öster- 
reichs. Ihm lag allein an der Bändigung des Polentums; was kümmer- 
ten ihn die Interessen der Volkswirtschaft? Ich weiß es wohl, sagte er 
zu Rauch, die preußischen wie die russischen Untertanen müssen unter der 
Einverleibung leiden, aber Geldrücksichten gelten nichts neben der politischen 
Notwendigkeit. „Bei seiner Freundschaft“ beschwor er den König, diesen 
Zank nicht weiter zu treiben, die Eintracht der Ostmächte nicht zu stören. 
Wie zum Hohne fügte er hinzu, Preußen hätte seine Forderungen früher 
durchsetzen sollen — obgleich sein eigener Gesandter auf der Wiener Kon- 
ferenz soeben geraten hatte, die deutschen Mächte möchten sich über die 
Handelsfrage nachträglich verständigen !?) Also von beiden Kaisermächten 
*) Protokoll der Wiener Konferenz vom 6. Nov. 1846. 
**) Graf Arnim, Bericht an den König, 7. Nov. 1846, an Canitz, 10. Jan. 1847. 
*“*) Rauchs Bericht an den König, 8. Jan. 1847. Nesselrode, Weisung an Meyen- 
dorff, 31. Dez. a. St. 1846. 
 
	        
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