552 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
mißhandelt, erging sich Canitz in leeren Drohungen: Sollte die Grenz-
sperre wirklich eintreten, „so würde nichts übrig bleiben als ein Appell an
die Mit- und Nachwelt durch offene Darlegung der Verhandlungen“.
Und als das Gefürchtete doch geschah, da jammerte er wie ein unschuldig
bestrafter Musterschüler: „Trotz diesem Verfahren, welches wir uns gegen
keinen mediatisierten Fürsten erlauben würden, haben wir den Fremden
gegenüber treulich festgehalten, weil wir Europa nicht den Skandal und
unseren Feinden nicht den Triumph geben wollten, daß man uns so schmäh—
lich behandelt hätte.“*) Metternich konnte seine Schadenfreude kaum ver—
bergen. Er schrieb an den Gesandten in Berlin scheinbar verwundert
(7. Jan. 1847): was denn die Preußen eigentlich noch wollten? Öster-
reich hätte ja die drei Punkte jener preußischen Denkschrift angenommen
und damit alles erledigt. Wir sind, meinte er trocken, zu gar keiner Ent-
schädigung verpflichtet, da die Handelsverluste sich notwendig aus der Ein-
verleibung ergeben. Darauf erwiderte Canitz: „man kann uns den Vor-
wurf der Unvorsichtigkeit machen; wir hätten die königlichen Truppen nicht
zu früh zurückziehen, wir hätten in die Besitznahme nicht einwilligen
sollen;“ jedoch wir haben uns auf die Ehrenhaftigkeit des Staatskanzlers
verlassen, der unserem Monarchen versprochen hatte, sein Vertrauen nicht
mißbrauchen zu wollen.)
Im diplomatischen Verkehre ist aber Unklugheit nicht bloß ein Ver-
standesfehler, sondern ein sittliches Verbrechen. Metternich konnte diese
unwürdigen Klagen nur mit geringschätzigem Hohne vernehmen. Unter-
dessen brach in Preußen, seit die Einverleibung bekannt wurde, ein Sturm
der Entrüstung aus. Die Berliner Kaufmannschaft, die Breslauer Bürger,
auch die großen Hüttenbesitzer Schlesiens, die Grafen Hochberg und Renard,
beschworen den Minister, für den zerstörten Krakauer Handel mindestens
einige Zoll-Erleichterungen zu verlangen. Das Handelsamt stimmte ihnen
bei; die Zollvereinsregierungen sprachen ebenfalls ihre Besorgnisse aus.
Der Oberbürgermeister von Breslau, Pinder eilte sogar nach Wien, um die
Interessen seiner Bürgerschaft zu vertreten. Dort war im Dezember auch
ein Unterhändler des Auswärtigen Amtes eingetroffen, Legationsrat von
Kamptz, der ganz aus der Art geschlagene Neffe des alten Demagogen-
verfolgers, ein junger Beamter von gründlicher handelspolitischer Sach-
kenntnis und freier nationaler Gesinnung. Der Unglückliche sollte nach-
träglich erlangen, was leider schon verloren war; er wurde von vornherein
mit einer Ungezogenheit behandelt, wie man sie unter dem alten Könige
nie gewagt hatte, und bald sogar als Demagog verdächtigt. Zur Unter-
handlung verwendete Metternich erst den aller Handelspolitik unkundigen
Bundesgesandten Münch, den geschworenen Preußenfeind, der, ohne sich
*) Canitz an Arnim, 24. Nov., an Rochow, 26. Dez. 1846.
**) Metternich, Weisung an Trauttmansdorff, 7. Jan.; Canitz, Weisung an Arnim,
13. Jan. 1847.