556 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
Als ergebener Diener der öffentlichen Meinung mußte Palmerston freilich,
da die Polen und die Juden zur Zeit die verwöhnten Lieblinge der Lon-
doner Presse waren, sich an dem nationalen Sport beteiligen und sagte
im Parlamente schon im August: wenn die Wiener Verträge an der
Weichsel nichts mehr gelten sollen, dann gelten sie auch nichts am Rhein
und am Po! Aber zu gleicher Zeit besprach er „als guter Freund“ mit
Brunnow: was denn aus dieser Krakauer „Fliege“ werden solle. Man
kam gemütlich dahin überein, England müsse protestieren, sobald die Ein—
verleibung erfolgt sei, und der Russe schloß verbindlich: Sie brauchen eine
parlamentarische Deckung; wir werden Ihnen seiner Zeit genügendes Ma—
terial liefern.“) Tief erbittert durch Guizots spanische Umtriebe, wollte
der Lord die zärtliche Freundschaft der Russen jetzt am wenigsten zurück—
weisen. Auch der König von Preußen bemühte sich wieder eifrig, sein
England zu den konservativen Mächten hinüberzuziehen, und ließ deshalb
durch Leopold Ranke eine Denkschrift ausarbeiten; sein Wunsch war, man
sollte sich mit dem Londoner Hofe noch vor der Einverleibung glatt ver—
ständigen. Ganz so weit kam man doch nicht. Als die Wiener Konferenz
ihre Beschlüsse gefaßt hatte, sprach Palmerston (23. Nov.) den Ostmächten
sein Bedauern aus über eine Verletzung der Verträge, „die durch keine ge—
nügende Notwendigkeit gerechtfertigt wäre.“ Die Sanftmut dieser Vor—
würfe stach wunderlich ab von dem groben Tone, welchen der Lord sonst
in seinen Protestnoten anzuschlagen liebte. Mit Frankreich zusammen—
zugehen, kam ihm nicht in den Sinn. Vielmehr rühmte er sich vor Bunsen:
„die drei Mächte werden sehen, wie freundschaftlich ich in der Krakauer
Sache gehandelt und wie ernst ich die heimtückischen Vorschläge des
französischen Kabinetts beantwortet habe.“**)
Sogar der alte grimmige Russenfeind Lord Ponsonby sagte zu Met—
ternich: man möge nur schnell handeln, durch die vollendete Tatsache
der Einverleibung alles erledigen — und König Friedrich Wilhelm schrieb
vergnügt an den Rand des Berichts: Noël! Nosl! Ouf!***) Nach alle—
dem konnte das unvermeidliche parlamentarische Wehgeschrei die Ostmächte
nicht mehr beunruhigen. Als die beiden Häuser im Januar 1847 wieder
zusammentraten, zeigte Palmerston „seinem teueren Brunnow“ den Satz
der Thronrede, der von Krakau handelte, und änderte auf Wunsch des
Russen einige Worte. Die drei Gesandten fanden jedoch die Stelle, trotz
der Milderung noch ziemlich scharf, und Brunnow schrieb dem Lord in
Freundschaft: wir drei wollen lieber nicht (rather not) zur Eröffnung
des Parlaments erscheinen, so vermeiden wir einen peinlichen Depeschen-
wechsel.#)
*) Brunnows Bericht, 28. Aug. 1846.
**) Palmerston, Weisung an Westmoreland, 23. Nov. Bunsens Bericht, 26. Nov.
***) Arnims Bericht, Wien, 9. Nov. 1846.
4) Palmerston an Brunnow, 18. Jan. Brunnows Antwort, 19. Jan. 1847.