Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

558 V 7. Polen und Schleswigholstein. 
nachdem er sich im Übermaß rebellischer Frechheit selbst zerstört hatte“.) 
Ahnlich sagte Metternich in mehreren Rundschreiben, diese Republik habe 
ihre Begründer gezwungen, nur noch zu bedenken, was sie sich selbst und 
ihren Völkern schuldig seien; er stellte sogar die kühne Behauptung auf: 
„Die Kongreß-Akte wird infolge des Krakauer Ereignisses nur zu ge- 
winnen vermögen!“) Nesselrode betonte namentlich, daß die polnischen 
Flüchtlinge den Freistaat von vornherein verfälscht und darauf mit eigenen 
Händen zerstört hätten.**“) Als die drei Mächte dann nochmals (4. Jan. 
1847) in gleichlautenden Depeschen ihre Ansicht verteidigt hatten, war 
der diplomatische Kampf zu Ende. Die Redeschlachten, die nunmehr noch 
in Paris und London entbrannten, bedeuteten nichts mehr. Die Welt 
begann des polnischen Rührstücks satt zu werden; Lord Bentinck, Disraeli 
und einige andere beherzte Torys wagten auch schon einzugestehen, daß 
ihnen die politische Notwendigkeit des Gewaltstreiches einleuchtete. 
Trotz dieses leichten diplomatischen Erfolges fühlten sich die beiden 
deutschen Großmächte beunruhigt. Was sie auch sagen mochten — durch 
die gewaltsame Vernichtung eines allgemein anerkannten europäischen 
Staates wurde das unwandelbare legitime Recht, zu dem sie sich selber so 
oft feierlich bekannt hatten, gröber verletzt als durch irgend eine der Revo- 
lutionen und Gebietsveränderungen des letzten Menschenalters. Daher be- 
mächtigte sich der kleinen deutschen Höfe eine wohl begreifliche Angst. Auf 
festerem Rechtsboden als weiland Krakau standen Meiningen und Sonders- 
hausen nicht, und die Macht, sich selber zu behaupten, besaßen sie eben 
so wenig. Einige der kleinen Bundesgesandten befragten in ihrer Herzens- 
angst schon den Vertreter Frankreichs Chasseloup-Laubat.]) Metternich 
empfand selbst, in welche Widersprüche er geraten war. Um die er- 
schreckten Kleinen zu beschwichtigen und zugleich sich selber vor aller Welt 
das Zeugnis unwandelbarer Überzeugungstreue auszustellen, entwarf er 
nun einen Plan, den ihm nur die starre Selbstgerechtigkeit seines Greisen- 
alters eingeben konnte. Er verabredete mit Canitz nach langen Verhand- 
lungen eine Erklärung folgenden Inhalts: „Jeder rechtsgültig geschlossene 
Vertrag hat den Wert gegenseitig gelobter Treue. Ihre Mazjestäten 
können jedoch keineswegs einräumen, daß ein Vertrag bestehen könne ohne 
jene Verknüpfung gegenseitiger Rechte und Verbindlichkeiten, noch daß 
die Grenzen dieser Rechte und Verpflichtungen willkürlich über den Be- 
reich der Beteiligten hinaus erweitert oder durch Einmischung Nicht- 
beteiligter beschränkt oder verschoben werden dürfen.“ ) 
*) Canitz, Rundschreiben an die Gesandtschaften, 29. Nov. 1846. 
**) Metternich, Rundschreiben an die Gesandtschaften, 18. 29. Nov. 1846, nebst 
Denkschrift: die Beschlüsse der drei Mächte in Beziehung auf Krakau. 
####) Nesselrode, Rundschreiben an die Gesandtschaften, 20. Nov. a. St. 1846. 
)Dönhoffs Bericht, Frankfurt, 12. Dez. 1846. 
4) Metternich, Weisungen an Trauttmansdorff, 7. März, 8. April 1847. 
 
	        
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