Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Der Bundestag und Krakau. 559 
Diese Erklärung sollte der Bundestag billigen, wie einst die Beschlüsse 
des Kongresses von Verona, obgleich der Deutsche Bund an den Krakauer 
Händeln unmittelbar gar nicht beteiligt war. Aber die Zeiten von Troppau 
und Verona waren vorüber. Mochte Canitz immerhin versichern, die Er— 
klärung erscheine nötig, weil „der Deutsche Bund für die Bewahrung des 
Völkerrechts eine sichere Stätte darbiete““*) — die deutschen Höfe fühlten 
doch richtig heraus, wie pharisäisch eine solche Verherrlichung gelobter 
Treue klang eben in dem Augenblicke, da die Wiener Verträge unzweifelhaft 
geändert wurden, und alle zitterten für ihr eigenes Dasein. Die bayrische 
Regierung wollte schließlich zustimmen, „da das Wesentliche des Deutschen 
Bundes vorzugsweise in der Gegenseitigkeit der Vertragsrechte begründet 
sei,“ aber sie fügte zugleich den unzweideutigen Wunsch hinzu: „daß eine 
spezielle Billigung dessen, was hinsichtlich des Freistaats Krakau geschehen, 
ausgeschlossen bleibe, und daß daher die Anerkennung der von Osterreich 
und Preußen aufgestellten Grundsätze nur in ihrer Anwendung auf dic 
Verhältnisse des Deutschen Bundes ausgesprochen werde.“##)Auch der 
sächsische Minister Zeschau sagte dem k. k. Gesandten Kuefstein aufrichtig: 
ich verkenne die Notwendigkeit des Geschehenen nicht; ich erwarte aber 
„die gegen Krakau angewendete Maßregel wird gegen keinen anderen Staat 
angewendet werden, und wäre er auch der kleinste.“ Darauf beteuerte 
ihm Metternich heilig, „die tiefe Ehrfurcht des Kaisers vor jedem urkund- 
lich verbrieften Rechte“ und sprach die Hoffnung aus, der Deutsche Bund 
würde „sich mit Osterreich und Preußen in der lauten Huldigung für die 
ewigen Grundsätze des Völkerrechts vereinigen“ — leere Worte, die dem 
ehrlichen Sachsen in solchem Augenblicke wie freche Heuchelei klingen 
mußten. ***) « 
Eanitz selbst schämte sich im stillen; er sagte traurig: wir können 
den Zollvereinsregierungen nicht von Vertragstreue sprechen, solange der 
Wiener Hof das Krakauer Zollwesen ganz nach Willkür handhabt.) Aus 
allen deutschen Landen meldeten die Gesandten übereinstimmend, wie 
schwierig die Stimmung sei; die Konservativen klagten überall noch lauter 
als die liberalen Polenfreunde, das alte System der unwandelbaren Legi- 
timität sprach sich ja selbst das Todesurteil.)Ganz einverstanden waren 
von allen Regierungen der Mittelstaaten nur vier: Hannover, die beiden 
Hessen und der König von Württemberg, der jetzt nur noch an die Be- 
kämpfung der Revolution dachte.F) Es bedurfte noch mannigfacher ver- 
*) Canitz, Rundschreiben an die deutschen Gesandtschaften, 7. April 1847. 
*“) Minister v. Maurer, Verbalnote an Bernstorff, 20. April; Weisung an den 
stellvertretenden Bundesgesandten Blittersdorff, 19. April 1847. 
*#) Metternich, Weisung an Kuefstein, 26. April 1847. 
Canitz an Graf Arnim, 12. März 1847. 
) Berichte von Radowitz, Karlsruhe 10. Dez., von Seckendorff, Hannover 14.Dez. 
1846, von Bernstorff, München 1. Febr., von Dönhoff, Frankfurt 24. April 1847. 
f##f) Thuns Bericht, Stuttgart 2. Mai 1847. 
 
	        
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