560 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
traulicher Zureden, bis der Präsidialgesandte am 17. Juni 1847 endlich
wagen konnte, die Erklärung der beiden Großmächte dem Bundestage förm—
lich vorzulegen. Den Abstimmungen ließ sich zumeist deutlich anmerken,
wie ungern sie gegeben wurden; der Beschluß lautete ganz unbestimmt da—
hin, daß der Bund „die Darlegung der Grundsätze gewissenhafter Heilig—
haltung der Verträge“ mit Dank und voller Zustimmung vernommen habe.
Die gereizte Stimmung der Tagenden verschärfte sich noch, als der Vor-
sitzende zum Schluß eine Zuschrift des russischen Gesandten verlas, welche
die Zustimmung des Zaren zu den Grundsätzen der deutschen Großmächte
erklärte. So ganz im Veroneser Stile wollte sich der Bundestag doch
nicht mehr mißhandeln lassen. Er begnügte sich, ohne Dank „die volle
Würdigung“ der Grundsätze des russischen Kaisers „auszudrücken“, und
beschloß schließlich gar, diese Jdanze Verhandlung in einem geheimen Pro-
tokolle zu vergraben.*) Die Veröffentlichung des Protokolls wurde den
beiden Großmächten anheimgestellt. Sie erfolgte zwar, aber man beachtete
sie kaum. Die Absichten des Wiener Hofes waren fast ganz vereitelt;
statt einer feierlichen Zustimmung des gesamten Deutschlands hatte er
nichts erreicht als eine fast ironisch klingende Erklärung über die Heilig-
haltung der Verträge. Es ging abwärts; Metternichs Künste verfingen
nicht mehr, nicht einmal am Bundestage. Bald nachher wurde das König-
reich Polen in die russischen Zolllinien aufgenommen — eine Gewalttat,
die sich aus den früheren Ereignissen notwendig ergab und der polnischen
Volkswirtschaft sogar Vorteil brachte, aber auch von neuem bewies, was
von der Vertragstreue der Ostmächte zu halten war. —
Im ganzen Verlaufe dieser polnischen Unruhen hatten die drei Tei-
lungsmächte ihren politischen Charakter unzweideutig offenbart. Im russi-
schen Polen regierte die Faust; die wenigen, die sich einer Schilderhebung
erdreisteten, wurden gehenkt oder sie verschwanden — vielleicht in Sibirien.
In Österreich sah die Regierung stumpfsinnig mit an, wie das wütende
Landvolk die polnischen Rebellen totschlug. In Posen wurde der Auf-
stand fast ohne Blutvergießen unterdrückt, und die Masse des Volkes blieb
still. Auf Besitz und Bildung gestützt, schritt das Deutschtum, trotz allen
polnischen Umtrieben noch immer unaufhaltsam vorwärts. Erst weit später,
etwa seit 1861, trat der tragische Rückschlag ein. Durch Preußens Schu-
len, Preußens Gewerbefreiheit, Preußens Agrargesetze erzogen, wuchs all-
mählich in Stadt und Land ein polnischer Mittelstand empor, der seine
Wohltäter mit dem unvermeidlichen historischen Undank belohnen sollte.
Vorderhand schien das Deutschtum noch einer großen Zukunft sicher.
Merkwürdig nun, wie die polnischen Wirren jetzt zum zweiten Male
in die Geschichte der preußischen Justizgesetzgebung entscheidend eingriffen.
Unter Friedrich Wilhelm II. war einst das längst zurückgelegte frideri-
*) Dönhoffs Bericht, 17. Juni 1847.