Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Die dänische Erbfolge. 567 
Hier aber zeigte sich wieder, wie stark die leitenden Männer und ihre per— 
sönlichen Empfindungen in das Schicksal der Völker eingreifen. Christian 
hegte gegen den Herzog von Augustenburg einen tiefen, menschlich wohl 
entschuldbaren Haß und liebte ebenso herzlich seine ehrgeizige, ränke- 
süchtige Schwester, die abgesagte Feindin Schleswigholsteins, Landgräfin 
Charlotte. Ihr zu Liebe beschloß er, den Gesamtstaat unter dem Hause 
Hessen aufrecht zu halten. Was galt ihm das Recht? er traute sich's zu, 
das unmögliche Ziel auf krummen Wegen zu erreichen. Um den hessischen 
Verwandten einen mächtigen Schutz zu sichern, bewirkte er, daß Landgraf 
Friedrich eine Tochter des Zaren, Großfürstin Alexandrine heiratete. 
Der feine Plan wurde freilich durch das Schicksal vereitelt. Die Groß- 
fürstin starb nach kurzer Ehe, gleich nach dem Tode ihres einzigen Kindes 
und der Landgraf ließ alsbald die Versteigerung ihres Nachlasses an- 
kündigen; Nikolaus aber konnte den öffentlichen Skandal nur durch geheime 
Abkaufung verhindern, er vergaß dem Hessen dies Probestück unfürstlichen 
Geizes niemals und zeigte seitdem nur wenig Teilnahme für die An- 
sprüche des kinderlosen Schwiegersohnes. 
In der inneren Politik verfuhr der neue König zunächst sehr behut- 
sam: er wollte es mit keiner Partei ganz verderben und doch immer die 
Entscheidung in der eigenen Hand behalten. Die Bitten um Preßfreiheit 
und Erweiterung der ständischen Rechte, die ihm gleich nach der Thron- 
besteigung aus dem Königreiche wie aus den Herzogtümern zukamen, wies 
er gnädig zurück. Die alten Privilegien Schleswigholsteins wurden jedoch 
ausdrücklich bestätigt, und zum allgemeinen Erstaunen erhielt sogar der 
Bruder des Herzogs von Augustenburg, Prinz Friedrich v. Noer den Ehren- 
posten des Statthalters der Herzogtümer, der gut deutsch gesinnte Graf 
Joseph Reventlow-Criminil den Vorsitz in der schleswigholsteinischen Kanz- 
lei. Aber gleichzeitig bewiesen andere, wichtigere Maßregeln, daß Christian 
seine deutschen Lande Schritt für Schritt danisieren wollte. Die alten 
Regimenter wurden in Bataillone aufgelöst, die historischen Fahnen mit 
den herzoglichen Wappen überall durch den Danebrog verdrängt, ein Teil 
der schleswigholsteinischen Truppen nach Jütland und den Inseln verlegt. 
Die Offiziere sollten fortan nicht mehr in ihrem Regimente, sondern in 
der ganzen Armee aufrücken, und da die Deutschen ohnehin das Kopen- 
hagener Kadettenhaus nur selten besuchen wollten, so bestand binnen kurzem 
die große Mehrheit des Offizierkorps aus Dänen, wie auch die Marine 
durchweg dänische Offiziere besaß. Statt der dringend erbetenen Landes- 
bank erhielten die Herzogtümer nur eine Filiale der dänischen Reichs- 
bank in Flensburg; mehr wagte man nicht. Zugleich wurde das dänische 
Reichsbankgeld eingeführt, der König scheute sich jedoch, einen zwingenden 
Befehl auszusprechen; darum hielten die Schleswigholsteiner hartnäckig an 
ihren lübischen Schillingen fest und sendeten die dänischen Kupfermünzen 
in solchen Massen nach dem Teutoburger Walde, daß Bandel seinem Her-
	        
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