570 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
trennen. Solche Stimmen der Gerechtigkeit wagten sich nach wenigen
Jahren schon kaum mehr zu äußern. Wohl bestand noch eine konservative
Gesamtstaats-Partei, welche die Monarchie, gleichviel unter welchem Herr—
scherhause, ungeschmälert erhalten und die Sonderrechte der Herzog—
tümer wenn auch beschränken, so doch nicht zerstören wollte. Zu ihr
gehörten fast alle die erfahrenen hohen Beamten, Dänen wie Deutsche;
im Volke aber hatte sie keine Wurzeln. Führer ohne Heer, konnten diese
Gesamtstaats-Männer sich nur auf den unberechenbaren König stützen,
der einmal den Aufwiegler Orla Lehmann vor das sehr mild urteilende
oberste Gericht stellen ließ und gleichzeitig anderen Wortführern der
dänischen Propaganda sein Wohlgefallen aussprach.
Das nächste Ziel der Eiderdänen war Nordschleswig. Um in diesem
stillen Lande dänische Sprachen und Gesittung zu verbreiten, wurden in
wenigen Jahren sechs verschiedene Vereine gegründet. Ein redefertiger
Bauer Laurids Skau leitete die Umtriebe, er reiste rastlos zwischen Flens—
burg und Kopenhagen hin und her, ward auch von dem Monarchen selbst
gnädig empfangen; sieben Kopenhagener Demagogen, die man in Schles-
wig das Siebengestirn nannte, standen ihm treu zur Seite. Der Erfolg
blieb lange aus; die schwerfälligen, gutmütigen Bauern Nordschleswigs
hatten ja gar keinen Grund, wider die Deutschen zu klagen, und ihr
schwunghafter Viehhandel verband sie mit Hamburg. Nach und nach be-
gann der Same des Unfriedens doch aufzusprießen. In der äußersten
Nordostecke Schleswigs, auf der Skamlingsbank, einer schönen Waldhöhe
am kleinen Belt, die von Jütland und den Inseln zu Schiff leicht erreicht
werden konnte, pflegte Laurids Skau seine großen Volksfeste abzuhalten;
und mancher harmlose Bauersmann fühlte sich bezaubert, wenn dort die
dänischen Nationallieder erklangen oder der dreieinige Norden in feurigen
Reden verherrlicht oder ein großer dänischer Patriot mit einem silbernen
Trinkhorn beschenkt wurde. Die dänische Partei unter dem nordschles-
wigschen Landvolke vermochte noch wenig, da dort alle Bildung deutsch
war, aber sie wuchs langsam an.
Unmöglich konnten die Landtage von dieser stürmischen nationalen
Bewegung unberührt bleiben; schon bisher hatten sie, da sie aus direkten
Wahlen hervorgingen, trotz ihrer beschränkten Befugnisse jeden Volks-
wunsch treulich ausgesprochen. Wenn Preußen selbst, das so viel fester
stand, mit seinen Provinziallandtagen kaum noch auskam, wie heillos
mußte sich vollends die Lage dieses Mischreichs gestalten, seit seine beiden
dänischen Landtage gegen die beiden deutschen ankämpften und der Welt
abermals bewiesen, daß in nationalen Streitigkeiten die Völker stets
unduldsamer sind als die Kabinette. Die Jüten begannen den Angriff.
Als im Schleswiger Landtage (1842) ein dänisch gesinnter Abgeordneter,
der schon oft gut deutsch gesprochen hatte, plötzlich dänisch zu reden be-
gann und dafür zur Ordnung gerufen wurde, da legte der jütische