Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

594 V. 8. Der Vereinigte Landtag. 
einst dies leidige Auskunftsmittel falscher Sparsamkeit genehmigt und nach- 
her (1837) ausdrücklich verfügt, die Neuerung müsse aufhören, sobald „die 
Verhältnisse die allgemeine Verlängerung der Dienstzeit bei der Infanterie 
gestatteten“. Seine Befürchtungen rechtfertigten sich nur zu sehr. Die 
zweijährige Dienstzeit brachte zwar den doppelten Vorteil, daß nunmehr 
eine stärkere Anzahl von Wehrpflichtigen eingestellt und alle Landwehr- 
männer im stehenden Heere ausgebildet werden konnten, während im Jahre 
1831 noch die größere Hälfte der Landwehr aus mangelhaft oder gar nicht 
geschulten Landwehr-Rekruten bestanden hatte. Dafür sank die Kriegs- 
tüchtigkeit der Linie selbst; die faulen und unlustigen Leute ließen sich 
gehen, da sie wußten, daß sie doch allesamt nach zwei Jahren entlassen 
würden, die Offiziere erlagen fast der Last der Arbeit, seit sie Jahr für 
Jahr die Hälfte ihrer Kompagnie neu ausbilden mußten, und immer wie- 
der mahnte der Prinz von Preußen: die Erfahrung lehre, daß diese un- 
mäßig verkürzte Dienstzeit die Armee verderbe. 
Wohl stand das preußische Heer noch immer unter allen deutschen 
Kontingenten obenan; doch dies wollte leider nicht viel sagen. Sollte 
Preußen seiner großen Zukunft sicher entgegengehen, so mußte endlich ein- 
mal eine starke Ausgabe für das so lange kümmerlich behandelte Heer ge- 
wagt werden. Die Finanzen blühten, die wirtschaftliche Kraft des Volks 
war jetzt genugsam erstarkt. Solches vermochte freilich nur ein starker 
Wille, denn in diesem Staate hing das Heerwesen mit der gesamten Ver- 
fassung innig zusammen. Wenn die Krone den unseligen Verfassungsstreit 
rechtzeitig abschloß, so daß sie fortan den Eisenbahnbau durch unanfecht- 
bare Anleihen sichern konnte, dann boten ihr die reichen üÜberschüsse 
des Staatshaushalts und vielleicht noch ein mäßiger Steuerzuschlag voll- 
auf genügende Mittel, um die gesetzlich dreijährige Dienstzeit wieder ein- 
zuführen und das stehende Heer durch einige Jahrgänge der jüngsten Wehr- 
männer also zu verstärken, daß die Masse der Landwehr, ihrem ursprüng- 
lichen Berufe gemäß, der Regel nach nur in der Heimat zu dienen brauchte. 
An so kühne Reformgedanken wollte aber Boyen jetzt im hohen Alter 
nicht mehr herantreten. Ihm verdankte Preußen das Wehrgesetz, und zwei- 
mal im Leben einen so großen Wurf zu wagen, übersteigt fast die Kräfte 
eines Mannes. Der friedfertige König vollends war für verwegene mili- 
tärische Pläne ganz unzugänglich, er hatte sich heilig vorgenommen, 
die Steuern bei seinen Lebzeiten nie zu erhöhen; und nun gar die öffent- 
liche Meinung, die beständig über die schwere Militärlast klagte, hätte 
damals eine Verstärkung des Heeres geradezu als Wahnsinn betrachtet, 
sie bedurfte noch langer, wirrenreicher Jahre, bis sie das Notwendige 
endlich einsah. So blieb es denn bei der alten Ordnung, das stehende 
Heer vermehrte sich, trotz der stärkeren Einstellung, nicht um einen Mann. 
Die Ausgaben für das Heer stiegen in diesen acht Jahren von 25 auf 
mehr als 28 Mill. Tlr., weil die Neubewaffnung des Fußvolkes, die Um-
	        
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