Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Streitigkeiten zwischen Heer und Bürgertum. 597 
fernen Zeit“, die Kasernen Freistätten des Lasters und der Menschen- 
quälerei, die Offiziere anmaßende Müßiggänger, das ganze Heerwesen ein 
leeres Spiel, das durch Bürgerwehren oder Milizen ersetzt werden müßte. 
Das alt hergebrachte Duzen, ja selbst der urgermanische Name der „Ge- 
meinen“ wurde als ehrenrührig und kränkend gebrandmarkt. Die preu- 
ßische Armee galt schon darum für besonders volksfeindlich, weil hier der 
von den Liberalen verlangte Verfassungseid der Truppen noch unmög- 
lich war. Zu dieser alten Forderung der Gesinnungstüchtigen traten 
jetzt neue hinzu: außer Reih und Glied sollten die Offiziere keine Uni- 
form, die Soldaten keine Waffe tragen, und — das war das belieb- 
teste Schlagwort des Tages — außer Dienst mußte überhaupt voll- 
kommene Gleichheit bestehen, wie angeblich in Frankreich, nur im Dienste 
durfte der Offizier Gehorsam und Gruß verlangen. Wenn manche Ra- 
dikale hofften, durch solches Gerede die Mannschaft wider ihre Führer auf- 
zuwiegeln, so sahen sie sich bald enttäuscht: das Band der Kameradschaft 
hielt fest, das ganze Heer fühlte sich beleidigt durch so mannigfache 
Zeichen einer Geringschätzung, welche gegenüber den verwahrlosten Trup- 
pen vieler Kleinstaaten wohl begreiflich, in Preußen aber nichts als 
grober Undank war. 
In Königsberg überwarf sich General Dohna mit der liberalen Bür- 
gerschaft noch schneller als sein Vorgänger Wrangel. Als einer seiner 
Leutnants einen Referendar wegen Majestätsbeleidigung in einem öffent- 
lichen Bürgergarten forderte und dann im Zweikampf erschoß, da nahm 
die gesamte Bürgerschaft für den Erschossenen Partei. Sie verlangte, 
daß den Offizieren der Besuch des Gartens verboten würde; der komman- 
dierende General, der seine Verachtung gegen die Anhänger Jacobys aller- 
dings sehr schroff aussprach, wechselte mit den Gemeindebehörden gereizte 
Erklärungen. Seit die Konservativen Königsbergs sich zur Bekämpfung 
der herrschenden „Jakobyner“ ein schlagfertiges Blatt, den „Freimütigen“ 
geschaffen hatten, wurde der allezeit harte Parteihaß der Ostpreußen maß- 
los heftig. Ahnliche Auftritte spielten in anderen Garnisonen; in Mainz, 
in Koblenz, in Köln versuchte man mißliebige Offiziere aus den Kasinos 
auszuschließen; es schien fast, als könnten des Königs Rock und das 
Bürgerkleid nicht mehr friedlich in einem Saale beisammen weilen. 
Auf der Kölnischen Kirmes (1847) mußten die Truppen den lärmen- 
den Pöbel mit der blanken Waffe auseinander treiben, wobei ein Faß- 
binder erstochen wurde; ein prächtiger Leichenzug verherrlichte den Ge- 
fallenen, die Bürger traten in Sektionen zusammen, um Zeugen zu 
vernehmen und die Ruhe zu sichern, was den ängstlichen Behörden schon 
als eine Erinnerung an die Pariser Revolutionszeit ganz ungehörig er- 
schien. Leider verschärfte der König selbst die Mißstimmung, indem er 
persönlich in diese armseligen Händel eingriff. Die Königsberger Stadt- 
vertreter berief er bei einem neuen Besuche Altpreußens (1845) selber zu
	        
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