Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

598 V. 8. Der Vereinigte Landtag. 
sich und vermahnte sie scharf wegen jenes Duells: „sonst wird von dem, 
was man Gnade nennt, nicht mehr die Rede sein.“ Als sie sich vertei— 
digten, belehrte er sie durch den Oberpräsidenten also: „daß die ritterliche 
Treue gegen den Landesherrn auch in ihrer Übertreibung schön und herz- 
erwärmend sein kann, daß hingegen die auch noch so indirekte Schonung 
entgegengesetzter Tendenzen und die Verweigerung, die Hand zu einem 
edlen Werke des Friedens zu bieten, unschön und herzerkältend ist.“ 
Der „skandalöse Koblenzer Kasinobeschluß“ erbitterte ihn tief, und über 
die Kölner Zwistigkeiten schrieb er gar: „Sollte das Kanaillen-Pack die 
Oberhand im Kasino behalten, so müssen die Zivil= und Justizbehörden 
„alle“ auf dem Fleck ausscheiden. Wer etwa nicht will, zeigt dadurch eine 
so qualifizierte Gesinnung, daß die Erklärung im voraus gerechtfertigt ist: 
es werde ihr Verharren in einer solchen Gemeinschaft 
als ihr Abschiedsgesuch betrachtet werden. Hier gilt's Charakter 
und Energie zeigen.“ *) 
Für das Heer hatte Friedrich Wilhelm niemals eine große Umgestal- 
tung beabsichtigt. Die so lange vorbereitete Justizreform hingegen lag ihm 
nahe am Herzen, und wie wenig entsprach der große Gelehrte, dem er 
diese Aufgabe anvertraut hatte, seinen Erwartungen. Von der lebendigen 
Legislation, welche Savignys Freunde erwarteten, ließ sich wenig spüren: 
das Preßgesetz kam nicht zu stande, das Ehescheidungsgesetz blieb ein 
Bruchstück. Glänzende wissenschaftliche Namen, wie sie in solcher Fülle 
noch keinem modernen Gesetzgeber zu Gebote gestanden hatten, wurden nach 
und nach zur Mitarbeit herbeigerufen: C. F. Eichhorn, Puchta, Homeyer, 
Stahl, Heffter, Bethmann-Hollweg und andere; und doch wollte nichts 
gelingen. Niemals hat sich so unwiderleglich die Wahrheit erwiesen, daß 
alle Rechtspflege eine politische Tätigkeit ist und die Gelehrsamkeit allein 
für sie nicht ausreicht. Vor langen Jahren schon, alsbald nach dem Er- 
scheinen von Savignys klassischer Schrift über den Beruf zur Gesetz- 
gebung, war ihm sein Schwager Achim Arnim entgegengetreten, um das 
Recht der Gegenwart wider den Historiker zu verteidigen. Selber ganz 
von der romantischen Weltanschauung erfüllt, kannte Arnim doch als 
märkischer Edelmann und Gerichtsherr das Leben der kleinen Leute aus 
der Nähe und bat den gelehrten Schwager, er möge den praktischen Segen 
einer gemeinverständlichen, deutschen, modernen Gesetzgebung nicht unter- 
schätzen; im Preußischen halte selbst der Bauer das Rechtswesen nicht wie 
in den Ländern des gemeinen Rechts „für eine geheimnisvolle Geisterbe- 
schwörung und Glücksspielerei, sondern für etwas Treues, Ehrliches und 
sehr Würdiges“; gleich der lutherischen Bibel würde das Preußische Land- 
recht im Volke nicht eigentlich gelesen, wohl aber oft und mit gutem Erfolge 
nachgeschlagen. Solche Laien-Erfahrungen beirrten den genialen Juristen 
  
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 22. Febr. 1847, 23. Febr. 1847.
	        
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