Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

606 V. 8. Der Vereinigte Landtag. 
und die meisten indirekten Steuern waren durch die Zollvereinsverträge 
festgelegt. Nur in einem einzigen Punkte gab er seinen Räten nach: 
die Berufung der Reichsstände nach Brandenburg ließ er fallen; sie hätte 
Furcht verraten und zudem die Geschäfte unleidlich erschwert. 
Da erhob der Prinz von Preußen zum zweiten Male Einspruch. Der 
Thronfolger war den Beratungen der letzten Monate fern gehalten worden, 
aber genugsam darüber unterrichtet und fühlte sich nun durch sein Ge- 
wissen gedrängt, dem Könige in einem brüderlichen Briefe zu gestehen, 
„daß er sich seinen Plänen nicht anschließen könne“ (20. Nov.). Unerschüt- 
terlich in den Grundsätzen übertraf er den Bruder bei weitem durch eine 
geistige Beweglichkeit, die immer mit den Tatsachen zu rechnen wußte. 
Da er einsah, der Monarch würde die Dreiheit des Gesamtlandtags, 
der Vereinigten Ausschüsse und der Provinziallandtage doch nicht aufgeben, 
so stellte er sich entschlossen auf diesen neuen Boden und faßte nur noch 
die Frage ins Auge: wie das eine, was ihm das Wesen des preußischen 
Staates war, die lebendige Macht der Krone neben dieser ungefügen drei- 
fachen Gliederung ständischer Körperschaften noch bestehen solle? Seine 
beigelegte Denkschrift ging aus von der schwierigen Weltstellung, welche 
der Staat als Großmacht und als deutsches Bundesglied behaupten müsse; 
„alle Institutionen, die den konstitutionellen sich nähern oder in diese über- 
zugehen drohen, sind daher für Preußen unannehmbar.“ Um solcher Ge- 
fahr vorzubeugen, schlug er vor: der aus etwa 150 Abgeordneten der 
Provinziallandtage gebildete Allgemeine Landtag solle ausschließlich über 
den Staatshaushalt beraten, die Vereinigten Ausschüsse ebenso aus- 
schließlich über Gesetzentwürfe; dann könne die Beratung des Staats- 
haushalts nicht zur Erzwingung neuer Gesetze mißbraucht werden oder 
umgekehrt. Die doktrinäre Angst vor ständischer Verbürgung der Kriegs- 
anleihen fand er ganz unbegreiflich, weil er die Treue seiner Preußen 
kannte. Er sagte einfach: für den Beginn eines Krieges besitzt der Staat ge- 
nügende Mittel; „wird aber im Laufe des Krieges eine Anleihe not- 
wendig, so hat es nicht das geringste Bedenken, die Reichsstände zu be- 
rufen.“ Unverbrüchlich hielt er an den Gedanken seines Vaters fest, der 
jederzeit nur beratende Stände gewollt hatte. „Alle Beratungen aller 
drei ständischen Versammlungen“ — so schloß er — „sind durchaus 
konsultativ, von einem Bewilligungsrecht irgend einer Art darf nie 
die Rede sein.“) Dem Wunsche des Bruders willfahrend ließ der König 
diese Denkschrift durch die Kommission prüfen und ihm dann deren ab- 
lehnendes Gutachten zugehen.) 
Also sah sich der Thronfolger abermals zurückgewiesen. Gleichwohl 
kam das Verfassungswerk, das im Geiste des Königs schon so lange fest- 
  
*) Prinz v. Preußen an den König, 20. Nov. 1845, nebst Denkschrift. 
**) Bericht der Immediatkommission an den König, 8. Dez. 1845.
	        
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