Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Das Patent. 609 
mich dazu, es ist der Blick auf meinen Sohn! Nach dem unerforschlichen 
Ratschluß Gottes scheint es bestimmt zu sein, daß die Krone sich in meiner 
Linie vererben soll! Da ist es denn meine heilige Pflicht, darüber zu 
wachen, daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeschmälerten 
Rechten und mit der Würde und der Macht überkomme, wie ich sie heute 
vor mir sehe.“ Indem er abermals um die Befragung aller volljährigen 
Prinzen bat, schloß er „mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Bei- 
stand wünschend.“7) 
Der König aber war mit nichten gesonnen, sein Schiff so dicht vor 
dem Hafen noch zu wenden. Die vielfach übertriebenen Befürchtungen 
des Prinzen überzeugten ihn ebenso wenig wie die tiefen und wahren 
Gedanken, welche die Denkschrift enthielt; er glaubte ja den Bruder weit 
zu übersehen. Er verweigerte die förmliche Befragung der Agnaten, wie 
es sein gutes Recht war, und genehmigte endgültig die Entwürfe nach den 
Beschlüssen der Kommission. Sobald die Entscheidung des Monarchen ge- 
fallen war, gab der Prinz von Preußen gehorsam seinen Widerspruch auf. 
Entschlossen blickte er der Zukunft ins Gesicht und sagte in der Kommis- 
sion: „Ein neues Preußen wird sich bilden. Das alte geht mit Publizierung 
dieses Gesetzes zu Grabe. Möge das neue ebenso erhaben und groß 
werden, wie es das alte mit Ruhm und Ehre geworden ist!“ Um dem 
Testamentsentwurfe des Vaters und den Bitten des Bruders doch einiger- 
maßen zu genügen, berief der König dann noch die sämtlichen groß- 
jährigen Prinzen seines Hauses, um ihnen das Patent, lediglich zur Kennt- 
nisnahme, mitzuteilen. Alle fügten sich gehorsam. 
Am 3. Februar 1847, am Jahrestage des ersten Aufrufs von 1813, 
ließ Friedrich Wilhelm ein kurzes „Patent“ veröffentlichen, das die neuen, 
zum Ausbau des Staatsschuldengesetzes von 1820 und des Provinzial- 
ständegesetzes von 1823 beschlossenen „ständischen Einrichtungen“ ankün- 
digte. Der Verordnung vom 22. Mai war absichtlich nicht gedacht, weil 
der König sie für aufgehoben ansah. Dies Patent unterzeichnete der 
Monarch allein, denn er suchte auch in der Form „jede Ahnlichkeit mit 
einem Staatsgrundgesetze zu vermeiden“““*): er wollte sogar den Zeitungen 
verbieten, die Namen: Kammern, Volksvertreter, Pairs für die neuen 
Institutionen zu gebrauchen. Sein Landtag sollte durchaus etwas anderes 
sein als „eine Volksvertretung in dem modernen Wortsinne“, und nur 
mit Mühe erlangten die Minister, daß dies aufregende Verbot unter- 
blieb. *") 
Gleichzeitig mit dem Patente erschienen drei von dem Prinzen von 
*) Prinz von Preußen, Denkschrift vom 17. Dez. 1846 mit Nachschrift vom 4. Jan. 
1847. S. Beilage 34. 
* ) Kabinettsordre an das Staatsministerium und die Kommission, 7. Nov. 1846. 
*““) König Friedrich Wilhelm an Thile, 6. März, an Bodelschwingh und Uhden, 
13. März; Berichte von Thile, 8. März, von Bodelschwingh und Uhden, 20. März 1847. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 39 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.