620 V. 8. Der Vereinigte Landtag.
meinsamen Kampfe gegen die Untreue, die bösen Gelüste der Zeit, legte
er das Bekenntnis ab: „Ich und mein Haus wir wollen dem Herrn dienen.
Ja wahrhaftig!“ Für die Zukunft erhielten die Stände nur die väter—
lich mahnende Zusage, daß der König sie zur Bewilligung neuer Steuern
und Anleihen wieder berufen werde, und auch sonst noch, „wenn ich es
für gut und nützlich halte, und ich werde es gern und öfter tun, wenn
dieser Landtag mir den Beweis gibt, daß ich es könne, ohne höhere Re—
gentenpflichten zu verletzen.“
Die Thronrede erschreckte und verwirrte die Hörer. Wohl empfand
jedermann die Macht einer ungewöhnlichen Persönlichkeit; der politische
Inhalt der hochtönenden, vielfach unklaren Sätze lief jedoch darauf hin-
aus, daß der König seine deutschrechtlichen Stände vor jeder Annäherung
an das konstitutionelle Kammerwesen der kleinen Nachbarstaaten streng
bewahren und die Ausbildung dieser ganz eigenartigen Institutionen allein
seiner eigenen Weisheit und Gnade vorbehalten wollte. Die Liberalen,
die in dem Patente nur die Grundlage für weitere Verhandlungen sahen,
fühlten sich tief niedergeschlagen. Manche der heißblütigen Ostpreußen
wollten sofort abreisen, da doch keine Verständigung möglich sei, und nur
durch das Zureden ihrer weltklugen rheinischen Freunde ließen sie sich
zum Bleiben bewegen. Beim Beginn der ersten Sitzung erhob sich nun
Graf Schwerin, ein Pommer aus dem altberühmten Soldatengeschlechte,
eine breite, gedrungene Gestalt von ungezwungener Haltung, mit einem
kräftigen biederen Gesichte, das durch die herabhängenden dunklen Haare
den Ausdruck eines fast pietistischen Ernstes erhielt; er hatte sich als
Schleiermachers Schwiegersohn mit Arndt und anderen patriotischen Ge-
lehrten befreundet und schon auf der Generalsynode die Ideen eines milden
kirchlichen Liberalismus freimütig vertreten. Er stellte den Antrag, die
Stände sollten dem Monarchen in einer Adresse ihren Dank, aber auch
ihre Rechtsbedenken aussprechen. Den Adreßentwurf verfaßte der gefeierte
Redner des rheinischen Provinziallandtags, F. v. Beckerath aus Krefeld.
Seine Wiege hatte, wie er gern erzählte, neben dem Webstuhle seines
Vaters gestanden; ganz durch eigene Kraft war er zum reichen Kaufherrn
geworden. Mennonit und nicht ohne einen Zug quäkerischer Salbung,
der ihm trotz der politischen Meinungsverschiedenheit doch immer das
Wohlwollen des frommen Königs sicherte, trug er seine gemäßigt liberalen
Ansichten mit einem eigentümlichen lyrischen Pathos vor. Die Begeiste-
rung stand ihm wohl an, sie kam aus tiefer Brust und verirrte sich nie
gänzlich in Phrasen. „Hier, rief er aus, sei der Pulsschlag eines neuen
verjüngten Preußens, eines Preußens, das umgeben von den Sympathien
der deutschen Brüderstaaten, das deutsche Volk zu der Stelle hinan führen
wird, die ihm unter den Kulturvölkern der Erde gebührt.“
Mit Besorgnis sah Graf Arnim, wie die rechtliche Unklarheit, deren
Gefahren er selbst dem Könige so oft vorgestellt hatte, jetzt schon ihre