Lola Montez. 651
ist vergangen, und die Luft ist wieder blau;“ so noch ein Stück: „L. M.
Wonnemeer die Seelen trinken, tönt zur Zither dein Gesang.“
Und seltsam, während eine Schar junger Wüstlinge die gefällige
Schöne begehrlich umschwärmte, hielt sich die Neigung des Königs immer
noch in gewissen Schranken. Sein alter Verehrer Fürstbischof Diepen-
brock in Breslau hatte mit tiefem Schmerz von dem großen Münchener
Argernis gehört und wagte den geliebten Monarchen geistlich zu ermahnen;
der schöne priesterliche Freimut gegen die Gewaltigen dieser Welt ist ja
unter den katholischen Prälaten, weil sie sich selbst für die Häupter des
ersten aller Stände halten, weit häufiger als in der protestantischen Geist-
lichkeit. Ludwig nahm die warnenden Worte, da er die edle Gesinnung
des Schreibers kannte, ganz unbefangen auf und beteuerte auf sein
Ehrenwort, daß er die letzte Liebesgunst von Lola nie verlangt hätte; eine
Abschrift dieser Antwort ließ er sogar allen bayrischen Bischöfen zusenden.
Dadurch erschien freilich die Macht des dämonischen Weibes nur um so
rätselhafter, und Minister Canitz sagte, als ihm der bayrische Gesandte
versicherte, diese Liebe sei platonisch, mit der Ruhe des erfahrenen Welt-
mannes: „das wäre vollends Narrheit!“
Auffällig früh, schon wenige Tage nach Lolas Ankunft, verbreitete
sich in München das unsinnige Gerücht, sie sei von den englischen Frei-
maurern abgesendet, um die Jesuiten zu bekämpfen. Grundsätze, gute wie
schlechte, waren ihr völlig unbekannt; aber sie wollte herrschen, sie wollte
durch die Liebe des Königs auch politische Macht erlangen; und da sie
mit ihrer Weiberschlauheit alsbald erkannte, das Ministerium Abel sei
verloren, so mochte sie ihre Flagge nicht auf einem sinkenden Schiffe hissen.
Auch war es ihr, nach ihren Lebensgewohnheiten, sicherlich unbequem,
mit einer Priesterpartei zusammenzugehen, die doch einige Wahrung des
äußeren Anstandes verlangen mußte. Ernste sittliche Bedenken hegten die
ultramontanen Minister gewiß nicht. So viele Jahre hindurch hatten sie
die mannigfachen galanten Abenteuer ihres liebebedürftigen Herrschers mit
großer Gelassenheit ertragen; im feindlichen Lager behauptete man so-
gar — freilich ohne sicheren Beweis — daß sie vergeblich unter der Hand
versucht hätten, sich auch diesmal mit der neuen königlichen Geliebten
zu verständigen. Gleichviel; schon nach kurzer Zeit gebärdete sich Lola
als erklärte Feindin der Klerikalen, sie wollte die neue Esther sein, die
das geknechtete Volk der Liberalen vom Druck erlöste, und schenkte sogar
den nationalen Bestrebungen des deutschen Liberalismus ihre Gunst. Als
Tiedemann und die anderen Abgesandten der schleswigholsteinischen Pa-
trioten in diesen Herbsttagen von König Ludwig empfangen wurden, da
bemerkten sie wohl, wie Lolas zierliche Füßchen unter dem Ofenschirm
hervorragten.“)
*7) Nach Tiedemanns Erzählung.