Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Abels Sturz. Mißhandlung der Universität. 655 
Lasaulx entlassen. Die Studenten, die den phantastischen Philologen doch 
als anregenden, beredten Lehrer liebten, eilten in Scharen hinaus, um 
von ihm Abschied zu nehmen, dann zogen sie vor das Haus Lolas, die 
den lärmenden Haufen drunten von ihrem Fenster her verhöhnte. Mitten 
im Getümmel erschien plötzlich der König, alles machte ihm ehrfurchtsvoll 
Platz; doch als er nach langer Frist von der Geliebten zurückkehrte, da 
brach die Frechheit des Pöbels los, und der Schöpfer des neuen Münchens 
wurde in dieser Stadt, die ihm alles verdankte, persönlich beschimpft. 
Kalt und ruhig, in königlicher Haltung, schritt er durch den johlenden 
Haufen. Nun fielen Schlag auf Schlag Gewaltstreiche gegen die Uni- 
versität, die an die Vertreibung der Göttinger Sieben erinnerten. Rasch 
nacheinander wurden die beiden Juristen Phillips und Moy beseitigt, 
dann der Historiker Höfler, dann Döllinger, Deutinger, Sepp, alle die 
klerikalen Gelehrten, welche Ludwig einst selber berufen hatte, um sein 
München zu einem katholischen Berlin zu erheben. So zertrümmerte 
er in blindem Unmut sein eigenes Werk. Unter den berühmten ultra- 
montanen Professoren blieben nur zwei verschont: der greise Görres — 
denn Ludwig befahl: den alten Mann laßt mir in Ruh' — und der getreue 
Nepomuk Ringseis. Der hatte sich entschieden für Lasaulxs Antrag aus- 
gesprochen; sein alter Freund aber meinte: „der Muckerl meint es gut, er 
hat mir schon oft bittere Wahrheiten gesagt.“ 
Im Sommer ging Ludwig nach seinem geliebten altfuldischen Schlosse 
Brückenau. Es bezeichnete seinen künstlerischen Sinn, daß er unter den 
vielen schönen Stellen seines Landes nicht die übermächtige, das Gemüt so 
leicht erdrückende Pracht der Alpenlandschaften bevorzugte, sondern die 
sanfte Anmut dieses stillen vom Waldgebirge der Rhön umschlossenen Wie- 
sengrundes: hier ließ sich's träumen und dichten. Seine Lola folgte ihm 
bald nach; Kürassiere ritten neben ihrem Wagen, um den katholischen Pöbel 
fern zu halten. Er selbst wurde, als er nachher in die Pfalz reiste, über- 
all mit der alten treuen Herzlichkeit aufgenommen. Unterwegs besuchte 
ihn der Bundesgesandte Graf Dönhoff, und wie erstaunte der Preuße, den 
König so verwandelt, so ganz umgetauscht zu finden: über alle die Männer, 
welche Ludwig einst in München gegen Dönhoff verteidigt hatte, sprach 
er jetzt mit der äußersten Heftigkeit.') Deem Würzburger Bischof Stahl 
hielt er eine ungnädige Rede, die er von zwei Flügeladjutanten nieder- 
schreiben ließ: „Der Beschützer der Kirche — als solcher bewies ich 
mich — ihr Wohltäter — keiner meiner Vorfahren machte aus eigenen 
Mitteln so viele Stiftungen — der wird von der ultrakirchlichen Partei 
so schändlich behandelt, daß sie den Jakobinern nichts übrig läßt. Die 
dem Papste feindliche Partei ist's auch mir. Seit Jahren gingen mir die 
Augen auf, immer mehr und mehr, und sollten auch alle hell sehenden 
  
*) Dönhoffs Bericht, Aschaffenburg, 20. Aug. 1847.
	        
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