Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

656 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes. 
um mich sich schließen, bleiben meine offen, solange ich lebe. Wenn 
irgend jemand mir Teueren ein Haar gekrümmt wird, werde ich keine 
Schonung mehr kennen. Daß in Würzburg Umtriebe stattfinden, ist mir 
bekannt. Ich sage nicht, daß Sie teilgenommen, aber damit Sie's sagen. 
Vor zwei Zeugen rede ich. Wüßte ich, daß Sie schuldig, ich würde es 
Ihnen sagen. Offen und gerad ist meine Art, und so hoffe ich zu sterben. 
Ich spreche nicht von Dankbarkeit und Pflichten gegen den Landesherrn, 
aber dumm, dumm ist's, sich so zu benehmen.“7) 
Die Leitung des neuen Ministeriums übernahm der Pfälzer Maurer, 
der einst in der griechischen Regentschaft mit Abel zusammengewirkt, da- 
heim aber den zur ultramontanen Partei übergegangenen alten Freund 
gänzlich aufgegeben hatte. Er war, zum Entsetzen der Klerikalen, der erste 
protestantische Minister Bayerns: so lange wirkten, trotz der rechtlich an- 
erkannten Gleichheit, die alten konfessionellen Erinnerungen noch in den 
meisten deutschen Staaten nach, in Preußen ward erst nach der Revo- 
lution der erste katholische Minister möglich. Mit dem Könige hatte 
Maurer schon als Kind in dem Rohrbacher Schlößchen bei Heidelberg oft 
zusammen gespielt. Mehr Gelehrter als Staatsmann, aber geschäfts- 
tüchtig, erfahren, arbeitsam, übernahm er das peinliche Amt nur aus 
Pflichtgefühl und mit der redlichen Absicht, die durch eine rohe Partei- 
herrschaft dem Lande geschlagenen Wunden zu heilen. Die Indigenats- 
Urkunde für Gräfin Lola Landsfeld mußte er freilich unterzeichnen, ob- 
gleich er eine solche Standeserhöhung erst kürzlich im Staatsrate selber 
für eine große „Kalamität“ erklärt hatte; doch jeden persönlichen Ver- 
kehr mit der neuen Gräfin verbat er sich ernstlich. Mit gesetzgeberischem 
Feuereifer, wie einst in Griechenland, arbeitete er nun an der lange ge- 
planten Justizreform und gewann den König für das öffentlich-mündliche 
Verfahren; nur von Geschworenen wollte Ludwig nichts hören. Die beiden 
so schwer mißhandelten Liberalen Behr und Eisenmann erlangten endlich 
ihre Freiheit wieder; die Universitäten erhielten eine neue, etwas verstän- 
digere Studienordnung, die Studenten erweiterte Rechte für ihre Ver- 
bindungen. Andererseits wurde die Missionstätigkeit der Redemtoristen 
beschränkt und den Nonnen die Ablegung der ewigen Gelübde erst in 
reiferem Lebensalter gestattet. Ergebene Anhänger nannten die neue, 
offenbar ehrliche Regierung schon das Ministerium der Morgenröte. 
Der Wiener Hof zeigte sich über das Unglück seiner bayrischen Freunde 
tief bekümmert. Sein Gesandter Graf Senfft, der so lange mit den 
Münchener Ultramontanen Hand in Hand gegangen war, gab Feste zu 
Ehren der gestürzten Minister, er bekam die Ungnade König Ludwigs stark 
zu fühlen und sah sich schließlich gezwungen, ohne Abschied zu verschwinden. 
Nachher ließ sich die Hofburg, da sie ihre üble Laune nicht bemeistern 
  
*) König Ludwig, Anrede an den Bischof von Würzburg, Aschaffenburg, Aug. 1847.
	        
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