658 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes.
an Bernstorff (9. März): „Man bietet uns eine entente cordiale an,
ohne uns Bedingungen zu machen; man gesteht, daß das bisherige Be-
nehmen einer Anderung bedürfe, die uns nur erwünscht sein kann
Ist aber das Verhältnis nicht einigermaßen dem zu vergleichen, wo ein
in den Kot gefallener Freund seine Hand ausstreckt?“ Darum riet er,
„die angebotene Gelegenheit zu benutzen, ohne uns jedoch in den Skandal
verflechten zu lassen, damit jeder Schein vermieden werde, als wäre Lola
Montez unsere Alliierte oder als drückten wir beide Augen zu, um gegen
Herrn v. Abel & Co. Vorteile zu gewinnen“.') Und als nun der un-
glückliche Wittelsbacher tief und tiefer in die Netze seiner Geliebten hinein
geriet, auch ihre politische Macht beständig zunahm, da schrieb Canitz
(17. Aug.): „Es haben mehrere Könige mit Tänzerinnen gelebt; das ist
nicht lobenswert, doch ist es möglich dabei zu bestehen, wenn die Ge-
schichte in gehörigen Schranken bleibt. Aber diese Verknüpfung von Re-
gierungssystem und Verliebtheit in eine vagabundierende Grazie, das ist
eine neue Erscheinung; und damit zu bestehen, ist ebenso unmöglich, wie
mit Sonetten in heutiger Zeit zu regieren. Der Würde des Königtums
geschieht unberechenbar größerer Schaden durch solchen Unfug als durch
allen den, welchen die Demagogen anzetteln.“)
Das Urteil war sehr hart, aber nicht ungerecht. Das dämonische Weib
verpestete allmählich das ganze Land, unter solchem Schutze erschienen
auch die wohlmeinenden Minister Maurer, Zu Rhein, Zenetti in falschem
Lichte. Die beiden Parteien der Ultramontanen und der „Lolamontanen“
bekämpften einander mit niederträchtigen Schmähungen. Lola selbst schrieb
in die Allgemeine Zeitung: „Müde, die Zielscheibe so vieler heimlichen und
öffentlichen, mündlichen, brieflichen und gedruckten Bosheiten zu sein, er-
kläre ich jeden für einen ehrlosen Verleumder, der sich auf irgend eine Weise
eine üble Nachrede gegen mich erlaubt, ohne sie beweisen zu können.“ Bei
Hoffmann und Campe in Hamburg, den Verlegern der jungdeutschen Ra-
dikalen, ließ P. Erdmann eine Verherrlichung der freien Liebe erscheinen:
Lola Montez und die Jesuiten. Das Buch begann mit dem Satze: „die
Welt ist noch keineswegs darüber im reinen, was denn eigentlich Sitt-
lichkeit sei.“ und schloß mit einer Betrachtung über den Ausspruch aus
Heinses Ardinghello: „wir können uns von dem Krebsschaden der Vor-
urteile vieler Jahrtausende noch nicht heilen.“ Von der anderen Seite
her kamen Brandschriften wie: „Lola Montez, oder das Mensch gehört
dem Könige;"“ Ludwigs Sonett auf „das entscheidende Ereignis“ wurde
unzähligemal parodiert, eines der Spottgedichte schloß: „die schlechtste Metze
hat dich nun gerichtet.“ Die Schmutzerei ward unsagbar ekelhaft. Welche
Verwirrung diese tollen bayrischen Händel überall in den Köpfen an-
*) Canitz, Weisung an Bernstorff, nebst Begleitschreiben, 9. März 1847.
**) Canitz an Bernstorff, 17. Aug. 1847.