Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

660 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes. 
Reformen verderben mußte. Seit der Heimkehr aus Brückenau gebärdete 
sich Lola frech als Herrscherin; sie hielt in der lieblichen Villa, die ihr 
der König auf der Barerstraße erbaut hatte, üppige Gelage, fuhr in präch— 
tigem Gespann durch die Straßen, und überall, wo sie sich zeigte, gab es 
Händel, die durch ergebene Geheimpolizisten und Gendarmen mühsam bei— 
gelegt wurden. Zunächst wünschte sie Aufnahme zu finden in der vor— 
nehmen Gesellschaft, doch alle Türen blieben ihr verschlossen; selbst ein 
Flügeladjutant des Königs, ein Sohn seines alten Jugendfreundes v. d. 
Tann weigerte sich, die Gräfin zu besuchen. Ludwig fluchte auf die Pfaffen 
und die alten Weiber, die seiner Geliebten das Leben vergällten, und da 
auch Maurer den geselligen Verkehr standhaft verweigerte, so mußte der 
Minister vor der Tänzerin weichen. Am 1. Dezember, alsbald nach 
Schluß des Landtags, trat eine neue Regierung zusammen, die sogleich 
den wohlverdienten Namen des Lola-Ministeriums erhielt. Fürst Oettin- 
gen-Wallerstein, der Unberechenbare, der in den letzten Jahren, über und 
über verschuldet, immer mehr zum Abenteurer geworden war, nahm 
keinen Anstand, an die Spitze dieses Kabinetts zu treten, der Leichtsinnige 
traute sich's zu, jede nähere Berührung mit der Tänzerin vermeiden zu 
können. Allgemeinen Abscheu erweckte sein neuer Amtsgenosse Berks, 
ein gemeiner Gesell und dreister Schwätzer, der sich bisher nur als Lolas 
Reisebegleiter Verdienste erworben hatte. Von nun an zeigte die bisher 
wesentlich durch die Ultramontanen geschürte Münchener Volksbewegung 
ein verändertes Wesen. Wohl schwoll die Wut der Klerikalen noch immer 
an, zumal da jetzt zwei ihrer schärfsten Gegner, Hormayr und Fallmerayer 
an das Archiv und die Universität berufen wurden; aber der Parteihaß 
war fortan schwächer als das Gefühl menschlichen Ekels. Die tolle 
Fremde trieb es zu arg, ihre dummdreiste spanische Hofart empörte 
schließlich jedermann ohne Unterschied der Partei, nur nicht das Ge- 
sindel ihrer Schmarotzer und den noch immer verblendeten König. Das 
Weib muß fort! — so sagte alle Welt, und es begann ein echt bay- 
risches Haberfeldtreiben, wobei die Erbosten ganz vergaßen, daß ihre 
Entrüstung auch den König traf, den sie doch nicht treffen sollte. 
An die Spitze dieser nunmehr ganz unpolitischen Opposition trat 
wieder die Universität. Froh der neugewährten Verbindungsfreiheit, 
hatten die Studenten die Austreibung so vieler beliebter Lehrer schon 
vergessen; da bemerkten eines Tages einige Korpsburschen der Palatia 
beim Durchwandeln der Barerstraße, daß zwei ihrer Leute vergnügt in 
der verrufenen Villa saßen und Lola sich die Pfälzermütze auf ihr schönes 
schwarzes Haar gestülpt hatte. Das ging den jungen Männern gegen 
die Ehre, denn ein ritterliches Gefühl für den makellosen Ruf ihrer 
Farben haben die deutschen Studentenverbindungen sich allezeit bewahrt. 
Die beiden Sünder wurden von ihrem Korps ausgeschlossen und traten 
alsbald mit einigen Geistesverwandten zu einem neuen Korps Alemannia
	        
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