660 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes.
Reformen verderben mußte. Seit der Heimkehr aus Brückenau gebärdete
sich Lola frech als Herrscherin; sie hielt in der lieblichen Villa, die ihr
der König auf der Barerstraße erbaut hatte, üppige Gelage, fuhr in präch—
tigem Gespann durch die Straßen, und überall, wo sie sich zeigte, gab es
Händel, die durch ergebene Geheimpolizisten und Gendarmen mühsam bei—
gelegt wurden. Zunächst wünschte sie Aufnahme zu finden in der vor—
nehmen Gesellschaft, doch alle Türen blieben ihr verschlossen; selbst ein
Flügeladjutant des Königs, ein Sohn seines alten Jugendfreundes v. d.
Tann weigerte sich, die Gräfin zu besuchen. Ludwig fluchte auf die Pfaffen
und die alten Weiber, die seiner Geliebten das Leben vergällten, und da
auch Maurer den geselligen Verkehr standhaft verweigerte, so mußte der
Minister vor der Tänzerin weichen. Am 1. Dezember, alsbald nach
Schluß des Landtags, trat eine neue Regierung zusammen, die sogleich
den wohlverdienten Namen des Lola-Ministeriums erhielt. Fürst Oettin-
gen-Wallerstein, der Unberechenbare, der in den letzten Jahren, über und
über verschuldet, immer mehr zum Abenteurer geworden war, nahm
keinen Anstand, an die Spitze dieses Kabinetts zu treten, der Leichtsinnige
traute sich's zu, jede nähere Berührung mit der Tänzerin vermeiden zu
können. Allgemeinen Abscheu erweckte sein neuer Amtsgenosse Berks,
ein gemeiner Gesell und dreister Schwätzer, der sich bisher nur als Lolas
Reisebegleiter Verdienste erworben hatte. Von nun an zeigte die bisher
wesentlich durch die Ultramontanen geschürte Münchener Volksbewegung
ein verändertes Wesen. Wohl schwoll die Wut der Klerikalen noch immer
an, zumal da jetzt zwei ihrer schärfsten Gegner, Hormayr und Fallmerayer
an das Archiv und die Universität berufen wurden; aber der Parteihaß
war fortan schwächer als das Gefühl menschlichen Ekels. Die tolle
Fremde trieb es zu arg, ihre dummdreiste spanische Hofart empörte
schließlich jedermann ohne Unterschied der Partei, nur nicht das Ge-
sindel ihrer Schmarotzer und den noch immer verblendeten König. Das
Weib muß fort! — so sagte alle Welt, und es begann ein echt bay-
risches Haberfeldtreiben, wobei die Erbosten ganz vergaßen, daß ihre
Entrüstung auch den König traf, den sie doch nicht treffen sollte.
An die Spitze dieser nunmehr ganz unpolitischen Opposition trat
wieder die Universität. Froh der neugewährten Verbindungsfreiheit,
hatten die Studenten die Austreibung so vieler beliebter Lehrer schon
vergessen; da bemerkten eines Tages einige Korpsburschen der Palatia
beim Durchwandeln der Barerstraße, daß zwei ihrer Leute vergnügt in
der verrufenen Villa saßen und Lola sich die Pfälzermütze auf ihr schönes
schwarzes Haar gestülpt hatte. Das ging den jungen Männern gegen
die Ehre, denn ein ritterliches Gefühl für den makellosen Ruf ihrer
Farben haben die deutschen Studentenverbindungen sich allezeit bewahrt.
Die beiden Sünder wurden von ihrem Korps ausgeschlossen und traten
alsbald mit einigen Geistesverwandten zu einem neuen Korps Alemannia