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deren Rechten suchten wir das Wesen der besonderen Rechte
im technischen Sinne, der Reservatrechte, zu ermitteln. Unter
Berücksichtigung der bisherigen Theorien gelangten wir zu dem
Ergebnis, dass ein Reservatrecht sich materiell als Ausnahme
von allgemein gültigen Rechtsregeln darstellen müsse und formell
sich für dasselbe eine ausdrückliche Bestimmung nachweisen
lassen müsse, dass seine Abänderung ohne Zustimmung des Be-
rechtigten nicht zulässig sei.
Um den Umfang der verfassungsmässigen Reservatrechte er-
mitteln zu können, war demnächst eine Untersuchung über den
Umfang des Verfassungsrechts geboten. Wir erkannten dann die
Bedeutung des Art. 78 Abs. 2 RV. für die Entscheidung der
Frage nach der Zahl der verfassungsmässigen Reservatrechte.
Da dieser nun in seinem Wortlaut festsetzt, welche Rechte unter
seinen Schutz fallen, so war es unsere Aufgabe, diese Bestim-
mung zu interpretieren. Dabei hatten wir die verschiedenen
Streitfragen, die sich an die Auslegung des Alineas knüpfen,
zu erörtern und zu entscheiden. Die Anwendung der gefundenen
Ergebnisse auf die festgestellten. besonderen Rechte ergab unter
Berücksichtigung der bundesstaatlichen Rechtsverhältnisse, dass
uns im wesentlichen nur die Erweiterungen der negativen Kom-
petenz einzelner Gliedstaaten, wie sie sich in der Verfassung
niedergelegt finden, neben einigen unwesentlichen Bevorzugungen
positiver Natur als Reservatrechte verblieben.
Nachdem wir also nunmehr die verfassungsmässigen Reser-
vatrechte ihrer Zahl und ihrer Art nach festgestellt haben,
können wir ohne grössere Schwierigkeiten unsere Untersuchung
mit der begrifflichen Definition dieser Rechte abschliessen.
Reservatrecht im Sinne der Verfassung des Deutschen Reiches
ist demnach ein bestimmtes Recht eines oder einzelner Glied-
staaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit, das sich als eine
Erweiterung der gemeingültigen positiven oder negativen Kom-
petenz zu gunsten dieser Staaten darstellt und das ihnen auf